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Meine Familie kämpft gegen die Mafia

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Die Kleinstadt Partinico liegt in der sizilianischen Provinz Palermo. Bis heute wird die Region von der Mafia kontrolliert. Denjenigen, die sich den mächtigen Familien-Unternehmen widersetzen, wird das Leben schwer gemacht. Deshalb gehört das Schweigen über die kriminellen Machenschaften der Mafia für die Einwohner Partinicos zur Tagesordnung. Einer, der nicht schweigen will, ist der lokale Fernsehjournalist Pino Maniaci, 55. Seit zehn Jahren informiert er über Schutzgelderpressungen, Wirtschaftsskandale und Anschläge des Vitale-Clans, der mächtigsten Mafia-Familie in der Region. Eine Stunde lang sendet er über seinen Mini-Kanal „Telejato“ und wird dabei von seiner ganzen Familie unterstützt. Seine 23-jährige Tochter Letizia arbeitet schon seit acht Jahren mit ihrem Vater zusammen und erzählt im Gespräch mit jetzt.de, welche Rolle sie im Kampf gegen die Mafia spielt, wie gefährlich ihr Job ist, und warum sie niemals etwas anders machen möchte. jetzt.de: Letizia, wann hast du zum ersten Mal gespürt, dass die sizilianische Mafia auch einen Einfluss auf dein Leben haben könnte? Schon in deiner Kindheit? Letizia: Glücklicherweise hatte ich eine schöne Kindheit – weil ich damals ja noch nicht für „Telejato“ gearbeitet habe. Ich bin wie alle anderen auch zur Schule gegangen. Aber als später der jüngste Sohn von Vito Vitale, dem Boss der Mafia in Partinico, meinen Vater angegriffen hat, bekam ich schon das Gefühl, dass die sizilianische Mafia auch mein Leben erschweren könnte. Das war nicht anders, als das Auto meines Vaters plötzlich in Flammen stand. Als du 15 warst, hast du angefangen, für den lokalen Fernsehsender deines Vaters zu arbeiten. Hast du ihn damals für seinen Mut bewundert? Er war kein Idol für mich. Aber ich war sehr stolz auf ihn, das bin ich bis heute. Ich war sehr jung, als ich angefangen habe, mit ihm zusammen zu arbeiten. Ich habe es am Anfang auch eher als eine Art Spiel empfunden. Aber schon nach einiger Zeit war ich mit einer genauso großen Leidenschaft bei der Sache wie mein Vater. Jetzt ist es ein richtiger Job für mich, den ich mein ganzes Leben lang machen werde.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Letizia War dein Zorn auf die Bösen damals vielleicht größer als deine Angst vor ihnen? Am Anfang war ich noch ganz ruhig, da ich mir gar nicht bewusst war, was es bedeutet, für „Telejato“ zu arbeiten. Seitdem mein Vater das erste Mal von der Mafia attackiert wurde, sind Zorn und Angst präsent. Aber ich kann nicht sagen, welches Gefühl stärker ist. Was war das Größte für dich, das du bisher mit „Telejato“ erreicht hast? Ich bin stolz auf jede kleine gewonnene Schlacht! Wichtig ist mir, jeden Tag aufs Neue unsere Zuschauer dafür zu sensibilisieren und sie auch darüber zu informieren, welch großes Problem die Mafia für uns darstellt. Und was es heißt, sie zu bekämpfen. Was muss getan werden, um die sizilianische Mafia ernsthaft zu schwächen? Das größte Ziel, das ich mit „Telejato“ in den nächsten Jahren erreichen möchte, ist die Digitalisierung unseres Fernsehsystems. Um die Mafia ernsthaft zu schwächen, müssen wir einfach weiter unsere Ängste besiegen und natürlich die Stärke finden, die wir im Kampf gegen sie brauchen. Wie sieht ein gewöhnlicher Tag in deinem Leben in Partinico aus? Stehst du rund um die Uhr unter Polizeischutz? Mein Tag beginnt in der Regel um 9 Uhr. Dann gehe ich in eine Bar, in der ich meine Familie und unsere Mitarbeiter treffe. Dann gehe ich raus, drehe kleine Filme, mache Fotos und Interviews für unsere TV-Nachrichten. Danach editiere ich alles am Schreibtisch. Wenn die Nachrichten vorbei sind, esse ich zu Mittag. Und dann geht es mit neuen Shootings und Interviews weiter. Später, das hoffe ich zumindest immer, habe ich ein bisschen Zeit für mich. Aber ganz ehrlich: Die Polizisten kümmern sich mehr um den Schutz meines Vater als um mich. Er ist von ihnen umgeben, ich nicht so sehr.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Letizia und ihr Vater. Deine Familie wird immer wieder von der Mafia attackiert. Ist es der Kampf gegen die sizilianische Mafia wert, euer Leben dafür aufs Spiel zu setzen? Das fragen wir uns auch jeden Tag. Und die Antwort ist immer Ja. Könntest du dir vorstellen, Sizilien jemals zu verlassen, wenn die Mafia dich dazu zwingen würde? Nein, ich würde Sizilien niemals verlassen. Auch nicht, wenn man mich zwingen würde. Müssen deine Freunde auch Angst vor der Mafia haben? Ich versuche immer und mit all meiner Kraft sicher zu stellen, dass sie sich keine Sorgen machen müssen. Deine Mutter Patrizia, 43, und dein Bruder Giovanni, 21, arbeiten auch für „Telejato“. Wünschst du dir, dass deine 15–jährige Schwester Simona noch dazu stößt? Ja, das wünsche ich mir. Es ist gut, wenn die ganze Familie zusammenarbeitet. Was soll künftig aus dem Projekt "Telejato" werden? Mein Traum ist, dass aus „Telejato“ mehr als ein lokaler Nachrichtensender wird. Dass wir eine bessere Technik und auch mehr Mitarbeiter bekommen. Das würde mich sehr glücklich machen. Außerdem bin ich schon jetzt glücklich, dass die „Telejato“-News jeden Tag auch von einem großen internationalen Publikum auf unserer Website telejato.it gesehen werden. Und ich bin stolz auf mein Buch „Mai chiudere gli occhi“, das im Rizzoli-Verlag erschienen ist.

Text: erik-brandt-hoege - Fotos: privat

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