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Wann kommt der 911er als TDI?

Text: Tastentiger
So, das war‘s dann wohl. Heckklappe zu, Spoiler einfahren und ab in die VW-Presse. Porsche ist abgewrakt. Die Prämie kassiert Herr Wiedeking.



Die Diskussion um die Übernahme von Porsche durch VW wurde selbstverständlich emotional viel zu überhöht geführt. David gegen Goliath, der Kleine will den Großen schlucken, das dynamische Wiesel sagt dem biederen Flusspferd den Kampf an. Das ist natürlich alles völliger Quatsch. Die Gesetze des Marktes sind hart, Firmenübernahmen gibt es jeden Tag, der Vorgang zwischen Porsche und VW ist vernünftig und stärkt am Ende alle. Also – ist doch kein großes Ding. Gehen wir wieder zur Tagesordnung über.



Nein.



Gehen wir nicht.



Es ist ein großes Ding.



Ein Riesending!



Boah, bin ich sauer! Bin ich stinkig! Das kann‘s ja wohl echt nicht sein! Ich kann das so nicht hinnehmen! Und ich meine damit nicht die Milliarden der Piechs, die sind mir wurscht, genauso wie die Millionen des Emirats Katars oder Quatars, wie schreibt man das überhaupt und wo liegt das eigentlich? Ich meine: Ich als Zuffenhäuser Bürger (nicht: „Zuffenhausener“, nota bene), wohnhaft dreihundert Meter Luftlinie von der Porschezentrale und dem neuen Porschemuseum entfernt, kann das nicht hinnehmen. Es kann ja wohl nicht sein, dass da so ein Lulatsch aus Niedersachsen daherkommt und mir meinen Porsche wegnimmt. Also das Unternehmen, nicht das Auto. Ich fahre keinen Porsche, bin ich Krösus oder was? Na gut, der Porsche hat grade ein paar Schulden weil er sich ein bisschen verzockt hat, aber so ist das nun mal im Leben, man muss was riskieren und manchmal fällt man dabei auf auf die Fresse, aber mein Gott! Porsche! Eines der profitabelsten Automobilunternehmen der Welt! Die hätten das schon wieder hingekriegt.



Porsche, neben Daimler und Bosch die großartigste Firma meiner Heimatstadt, gehört uns jetzt nicht mehr. Ich könnt heulen! Porsche, das ist nicht nur ein Auto. Oder eine Marke. Porsche, das ist... das ist... – einfach unbeschreiblich! Porsche ist die Frau, die du niemals haben kannst. Porsche ist die Liga über dir, in der du nie spielen wirst. Porsche ist der Inbegriff von Schnelligkeit und Dynamik, von Design und Schönheit, von Luxus ohne Behäbigkeit, von Reichtum ohne Bonzentum, von Erfolg, Sportlichkeit, schnellem Geld und schicken Puppen. Wer einen Porsche fährt, der zeigt: „Ich brauche dieses Auto, weil ich schneller bin als andere. Ich habe Geld, bin aber immer noch hungrig. Ich habe Stil. Ich schätze Design. Ich liebe Präzision. Ich verfolge Werte, die über der Frage stehen, ob dieses Auto Sinn macht und ihr Normalos, die ihr euch diese Frage stellt, werdet mich nie verstehen und nie so sein wie ich. Außerdem: Wenn dich Spritpreise interessieren, kauf dir lieber ein Paar Wanderstiefel.“



Ja, genau, genau das ist Porsche. Und nun? Nun kommt der Volkswagen, der Wagen des Volkes, und verleibt sich meinen Porsche ein! Die Karosse des Pöbels übernimmt das Volant beim Fortbewegungsmittel der oberen Zehntausend, ach was, der oberen Fünfhundert! Wie kann man denn da nicht auf die Barrikaden gehen! Was gilt denn ab heute noch ein Porsche auf der deutschen Autobahn? Ist doch jetzt nichts mehr als nur noch ein frisierter Polo!



Und es kommt noch schlimmer. Diese ganzen Bilder in den Nachrichten mit dem hässlichen pfaumenblauen biederen VW-Logo neben dem edlen Porsche-Signet. Schonmal das Porsche-Emblem genau angeschaut? Diese Bildsprache, einfach wunderbar. Zu oberst der zeitlos gestaltete Porsche-Schriftzug, darunter schwarz-rote Balken und Hirschstangen, die Kernelemente des alten Württemberger Wappens, des Freien Voksstaats Württemberg. Ich rede hier von Württemberg, nicht Baden-Württemberg. Das ist was ganz anderes, die Badenser haben wir mal fein draußen gelassen bei der Erkennungsmarke des großartigsten Automobils der Welt. Und dann in der Mitte, sozusagen im Herzen, der Name der Heimatstadt mit ihrem Wappentier: Unser Stuttgarter cavallole rampante, das zeigt: Hier arbeiten echte Pferdestärken! „Ist das nicht wunderschön?“, rufe ich heute Abend von meinem Balkon in den Nachthimmel hinaus Richtung Porschemuseum und höre niemanden, der mir widerspricht. Und was geschieht jetzt damit? Nichts mehr als nur eine weitere Marke in Christian Wulffs Briefmarkensammlung. Es ist wirklich zum Übers-Balkongeländer-Springen.



Klar hat VW schon andere tolle Sportwagen unter seinem Dach. Bugatti oder Lamborghini. Aber wir reden hier von Porsche! Wir reden von Qualität, von Ingenieurskunst, von Präzision! Wir reden vom lebenden Beweis, dass Schwaben tatsächlich Stil, Geschmack und Esprit haben können! Wir reden von einem echten Auto, nicht von einer von arbeitsscheuen Nudeldrehern zusammengesteckten Endtopfbrüllmaschine, gebaut zu dem Zweck, wasserstoffblondierte Hohlbirnen von der Disko nach Hause zu kutschieren. Porsche, das kann man doch nicht in eine Reihe mit Vehikeln wie Skoda oder Seat stellen. Ein Franchise-Nehmer von McDonald‘s käme doch auch nicht auf die Idee, ein Fünf-Sterne-Restaurant zu kaufen. Tränen stehen mir in den Augen!



Und wie die Zukunft aussieht – das will ich gar nicht wissen. Ich vermute, marketing-gebrainwashte Niedersächsische Ingenieure werden in ein paar Jahren auf Basis des Panameras einen Van herausbringen, den sie „Porsche Caran“ taufen. Selbigen wird es als Sondermodell „Fast Family“ geben, mit Kindersitzen ab Werk und einem drangeschweißten Fahrradträger, den sie als vermeintliche Designreminiszenz in dunklem Anthrazit eloxieren und „Ferdinandchen“ nennen. Der Cayman kommt in der Neuauflage als „Green Sprinter“ mit dem Drei-Liter-Motor des Lupos und dem neuen 911er, jetzt „New11er“, verpassen sie einen Frontmotor - TDI!



Entschuldigung – ich geh jetzt kotzen.



Lieber Herr Wulff, lieber unbekannter Scheich, liebe Porsches und Piechs, von mir aus könnt ihr mit Porsche machen, was ihr wollt. Aber eins werdet ihr niemals ändern können: „P“ wird immer – immer! - viel weiter vorne im Alphabet stehen als „V“.




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