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Ramona und Stephane - Backmann

Text: klinsmaus
Ramona Fink trug Lippenstift auf. Bordeauxrot. Dann zerwuschelte sie ihren Powerfrauenkurzhaarschnitt und schob ihre Augenbrauen in Kämpferform. Eigentlich sollte sie nicht hier sein.



Sie sollte an Stephanes Krankenbett sitzen und ihm beim Komatisiertsein zuschauen. Seufzen und dabei seine schlaffe Hand halten. So wie sie das die letzten drei Tage getan hatte. Doch dann hatte ihr Handy geklingelt und Ramona hatte Stephane loslassen müssen.



Die Pressefrau vom Verlag hatte gar lieblich gesäuselt, dass Herr Backmann sie gerne in seiner Show sehen würde. Man bräuchte jemand, der ein paar provokative Pauschalstatements zur generellen Verwerflichkeit des Kapitalismus raushaute. Und nachdem Gregor Gysi keine Zeit hatte, Oskar Lafontaine auf seinem Weingut weilte und man dem Publikum nicht schon wieder Claudia Roth zumuten wollte, sei man – und das sei jetzt wirklich phänomenal – auf sie gekommen. Sie, die Bestsellerautorin von „Sein oder Haben reloaded – Warum Geld nicht die Lösung ist“, die den Zusammenbruch der Weltwirtschaft schon vorhergesagt hatte, als die Linke noch mit der Trommel um den Weihnachtsbaum gelaufen sei, haha.



„Das stimmt so nicht.“ - Die Pressefrau hustete irritiert in den Hörer: „Was stimmt so nicht?“



„Ich habe nie den Zusammenbruch der Weltwirtschaft prognostiziert. Und überhaupt! In meinem Buch ging es nie um Kapitalismuskritik, sondern um eine sozialpäd...“. - „Das sagen Sie aber nicht bei Backmann, hören Sie?“



„Ich sage gar nichts zu Backmann. Mein Mann liegt im Koma.“ - „Oh, das tut mir leid, davon habe ich gelesen. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle noch einmal unser tief empfundenes Mitgefühl aussprechen. Ihr Mann war ja ...“ - „WAR??? Er IST!!!“ - „Oh ja, natürlich, wie ungeschickt von mir.“



Für einen Moment war es still in der Leitung.



„Es ist mir furchtbar unangenehm, aber können wir wieder auf Backmann zu sprechen kommen? Es ist einfach: Eine solche Chance bietet sich nur einmal im Leben. Es wäre eine wunderbare Gelegenheit, Sie beim Publikum wieder in Erinnerung zu rufen. Sie wissen schon, wo ihr letztes Buch vor drei Jahren auf den Markt gekommen ist und so.“ Die Pressefrau sah sich gerade ihre Fingernägel an, da war Ramona sicher. „Also, wie sieht es aus: Können wie heute abend mit Ihnen rechnen?“



„HEUTE ABEND? MEIN MANN LIEGT IM KOMA!!!“



„Ja, das ist ein bisschen kurzfristig, ich weiß.“ Die Pressefrau lachte. „Andererseits ist ihr Roman jetzt seit Jahren überfällig und ich finde, Sie sollten wissen, dass im Verlag ernsthaft über eine Konventionalstrafe nachgedacht wird. Das ist nur fair.“ Wieder eine Kunstpause. „Wieviel waren es nochmal? Zehntausend?“



„Fünfzehntausend.“ Ramona knirschte mit den Zähnen. „Ach ja, richtig. Denken Sie nicht, Backmann wäre da ein Zeichen?“



„Sicher nicht.“ Ramona seufzte. „Wie dem auch sei: Ich habe keine fünfzehntausend Euro.“



„Ganz wunderbar. Wir holen Sie ab. Und noch etwas: Ziehen Sie sich etwas Gescheites an. Sie wissen schon: Üppiges Dekolletee im Talkshowformat = 5000 Exemplare zusätzlich verkauft. Tschaui!“



Ramona legte auf. Sie nahm Stephanes Hand.

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