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Wann sprechen wir von Krieg, Herr Münkler?

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Immer massiver werden die deutschen Soldaten im Norden Afghanistans angegriffen und sie lassen sich auf Gefechte ein. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte unlängst: "Wer uns angreift, wird bekämpft." Während sich Jung vehement sträubt, die Gefechte als "Krieg" zu bezeichnen, ist für den Wehrbeauftragten des Bundestages Reinhold Robbe (SPD) die Sache klar: "Ich frage mich: Wo bleibt das klare Wort der Kirchen, der Gewerkschaften, der Wirtschaft. Ein klares Bekenntnis zum Krieg wäre ein Zeichen menschlicher Zuwendung." Wann werden "Kampfhandlungen" zum "Krieg"? Und was würde es bedeuten, wenn der Nato-Einsatz als "Krieg" bezeichnet würde? jetzt.de sprach mit Herfried Münkler*, Politikprofessor an der Humboldt-Universität in Berlin.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ein deutscher Soldat in Kabul. jetzt.de: Herr Münkler, Herr Jung nimmt vehement Abstand davon, bei den Vorkommnissen in Afghanistan von Krieg zu sprechen. Warum? Herfried Münkler: Die Tradition des deutschen Verständnisses von Krieg ist bei uns in hohem Maße mit der Erinnerung an den Ersten und Zweiten Weltkrieg verbunden. Auch wenn man die Kriege selbst nicht miterlebt hat, ist die Fülle der Bilder und Erzählungen präsent. In diesem Sinne kann man in Afghanistan nicht von einem Krieg sprechen. Es ist deshalb wichtig, mit dem Begriff nicht zu hausieren, sondern auf Ausweichbezeichnungen wie "Kampfhandlungen" zurückzugreifen. Würde man das unter dem gegeben Umstand unserer Assoziationen in Deutschland nicht tun, wäre die Reaktion noch viel stärker als bisher diese: "Dann lasst uns nachhause gehen." Das heißt: Jung möchte die politische Unterstützung für den Afghanistan-Einsatz nicht noch mehr schwächen und außerdem bestimmte Assoziationen beim deutschen Volk vermeiden. Wie definiert man in Deutschland Krieg? Nicht einheitlich. Ich habe zum Beispiel vorgeschlagen, den Begriff der "neuen Kriege" einzuführen und damit eine Abgrenzung zu unserer herkömmlichen Vorstellung zu ziehen. Damit könnte man eine moderne Art der Kriege bezeichnen, bei denen es kein Aufeinandertreffen größerer Gruppen mehr gibt, sondern sich alles in kleinen Hinterhalten und Scharmützeln abspielt. Der "große Krieg" ist schließlich ein historisches Auslaufmodell. Warum spricht Herr Robbe von Krieg? Sagen wir mal so: Herr Robbe ist nicht gerade ein Experte für präzise Begriffsverwendung. Und da man Krieg entweder als Sammelbegriff für jede Form der kämpferischen Auseinandersetzung oder eben eine bestimmte Form von Krieg, ähnlich der beiden Weltkriege, verwenden kann, hat er sicherlich ersteres gemeint. Wenn man bei ihm nachfragen würde, was er denn gemeint hat, käme bestimmt: "Sicherlich nicht so was wie den Zweiten Weltkrieg." Handelt es sich bei dem, was gerade in Afghanistan passiert, um Krieg? Man kann es als Kleinkrieg bezeichnen - in unterschiedlichen Gebieten und mit unterschiedlicher Intensität. In meinem Sinn wäre es ein neuer Krieg, aber kein klassischer Krieg, wie man ihn in Deutschland versteht. Wenn wir uns aber darauf einigen, dass Krieg eine Form des Aufeinandertreffens von bewaffneten Akteuren ist, die vom Hinterhalt bis zur großen Schlacht reichen kann, dann kann man auch hier von Krieg sprechen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Herfried Münkler leitet den Lehrstuhl für Theorie der Politik am Fachbereich Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Zu seinen Schwerpunkten zählen neben der Politischen Theorie und Ideengeschichte die Politische Kulturforschung und die Theorie und Geschichte des Krieges.

Text: petra-ebenschwanger - Fotos: dpa

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