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Piraten erobern Europaparlament - jetzt.de berichtet aus Schweden

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Zwar sind in Schweden noch längst nicht alle Stimmen ausgezählt doch eins steht fest: Die „Piratparti“ hat gewonnen, nicht nur Sympathiepunkte bei vielen Schweden, sondern auch über 7 Prozent der Wählerstimmen. Das Programm der Piraten – kostenloses Filesharing, mehr Privatsphäre im Netz – hat 7,1 Prozent der schwedischen Wähler überzeugt, wie das vorläufige Wahlergebnis zeigt. Die Piratparti hat somit einen Sitz im Europaparlament sicher und feiert sich als grinsenden Außenseiter, der es den etablierten Parteien gezeigt hat.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Christian Engström (49), Spitzenkandidat der Partei, war am gestrigen Wahlabend sehr zufrieden und fand das vorläufige Wahlergebnis „einfach fantastisch.“ Gegenüber dem Fernsehsender SVT beschrieb er die Partei als „Grassroot-Bewegung“, die jetzt den Sprung in die große Politik geschafft habe. Die Piratparti hatte in den vergangenen Monaten Zehntausende neue Mitglieder gewonnen. Die Piraten bekamen riesigen Zulauf, nachdem die schwedischen Betreiber des BitTorrent-Trackers „The Pirate Bay“ verurteilt worden waren wegen Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung. Ein Aufregerthema in Schweden, wo illegales Downloading zum Alltag gehört wie Zähneputzen. Für die Piratparti ging es am Sonntag vor allem darum, ihre zahlreichen Sympathisanten irgendwie zum Wählen zu bringen. Das ist offensichtlich geglückt, wie auch Ulf Bjereld, Politologe an der Uni Göteborg bestätigt: „Die Piraten wussten, dass sie alles tun mussten, um Wähler zu mobilisieren. Und das haben sie mit Hilfe der Medien geschafft. Sie hatten viel mediale Aufmerksamkeit vor der Wahl.“ Vor allem junge Männer stimmten dann am Sonntag tatsächlich für die Piraten, wie eine Umfrage im Auftrag von SVT zeigt. Bei den Männern sammelte die Partei sogar 12 Prozent der Stimmen, bei den Wählern unter 30 Jahren satte 20 Prozent. Bemerkenswert ist, dass die Piratparti auch Wähler bei der rechtskonservativen Partei „Sverigedemokraterna“ abgraben konnte – 14 Prozent aller Piratenwähler sympathisieren mit den Braunen. „Es gibt zwei Gruppen von Piratenwählern“, erklärt Ulf Bjereld. „Zum einen gibt es die Internet-Nerds, die für das Parteiprogramm brennen. Aber es gibt auch Protestwähler, die sich gegen das Establishment auflehnen wollen.“ Die Protestwähler hätten sich zwischen Piraten und Rechten entscheiden können und dann auf die Partei mit den besseren Chancen gesetzt. Bisher haben sich die Piraten noch nicht dazu geäußert, welcher Gruppe sie sich im Europaparlament anschließen wollen. Experten rechnen jedoch damit, dass nur die liberale oder die grüne Fraktion in Frage kommen. Eine durchaus wichtige Entscheidung. Denn Christian Engström will nach dem Prinzip Kuhhandeln vorgehen: „Wir werden immer mit unserer Gruppe abstimmen, wenn es z.B. um Milchpreise geht – ein Thema, das uns überhaupt nicht interessiert. Im Gegenzug muss die Fraktion uns unterstützen, wenn über Rechte im Internet abgestimmt wird.“ Erst am späten Mittwochabend wird das endgültige Wahlergebnis feststehen und damit auch, welcher Pirat Straßburg erobert. Dann sind die so genannten „persönlichen Stimmen“ ausgezählt: In Schweden kann der Wähler nämlich nicht nur eine Partei, sondern auch einen bestimmen Kandidaten unterstützen. Höchst wahrscheinlich wird Spitzenkandidat Christian Engström Parlamentarier, aber auch die Zweite auf der Liste – die 21-jährige Amelia Andersdotter – hat noch gute Chancen. Mehr zum Thema: Aller Welt Feind - der Kommentar aus der Süddeutschen Zeitung nach der Wahl. Außerdem: ein Interview mit dem Chef der schwedischen Piratenpartei sowie eine Hintergrund-Geschichte über die Atmosphäre in Schweden. Alle jetzt.de-Berichte zum Thema gibt es zudem im Themenschwerpunkt Urheberrecht.

Text: sonja-leister - Illustration: Katharina Bitzl

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