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Ramona und Stephane – Das Musical (I)

Text: klinsmaus
Ramona Fink runzelte die Stirn. Sie hatte Migräne. Der Kastrat kam nun schon seit Wochen jeden Tag.



Irgendwie bekam er es wohl nicht gebacken, Frau Maos Seelenleben so minutiös auszuloten, wie Stephane sich das vorstellte. Warum sonst sollte er stunden-, tage- und wochenlang „Miiiiiauuuu! Miiiiauuu! Miiiauuuu – ooooooo!“ oder „Rrrr-fchhhhh-rrrrr-fchhhh-rrrrr!“ schmettern und sich dabei librettogerecht am Finkschen Mobiliar vergehen?



Wenn sie drüber nachdachte, war Ramona doch ziemlich froh, dass Frau Mao der einzige Part war, an dem Stephane zuhause arbeitete. Dass ihr Mann ihr partout nichts von der Handlung verraten wollte und auch sonst ein großes Geheimnis um „Ramona – das Musical“ machte, war ihr dagegen nach wie vor zutiefst suspekt.



Stephane faselte zwar immer etwas von einer „expressionellen Hommage mit Anklängen an die Zwölftonmusik“ und dass sie sich deswegen keine Sorgen machen bräuchte. Doch in zwölf Jahren Ehe hatte Stephane bereits so viel Blödsinn verzapft - das ging schon auf keine Kuhhaut mehr.



Und dann hatte Ramona auch noch in den „Erlanger Nachrichten“ lesen müssen, dass diesjährige Highlight des Stadttheaters „auf höchst unkonventionelle Weise das Erwachen der weiblichen Sexualität thematisiert. Vergleiche zu den ,Vagina Monologen' drängen sich geradezu auf.“



Stephane hatte zwar darauf bestanden, dass seine Aussagen komplett aus dem Kontext gerissen worden waren, doch Ramona wusste auch, dass er als Oberspielleiter am Stadttheater dringend einmal wieder über 35 % Sitzplatzauslastung kommen musste – etwas, das ihm weder mit „Wittgenstein Revisited“ noch mit „Die Strudelhofstiege“ noch mit sonst irgendeinem Stück in seiner Amtszeit gelungen war.



Seit sie mit ihrem Anwalt über verschiedene Varianten der Unterlassungsklage gesprochen hatte, fühlte sich Ramona wesentlich sicherer.



Im Moment jedoch tat ihr vor allem der Kopf weh. Stephane und der Kastrat probten offensichtlich Döners Werben um Frau Mao. Und das taten sie mit solcher Inbrunst, dass auch Ramonas Zahnwurzeln sich zu einer Reaktion genötigt fühlten: Sie zogen und pochten dermaßen, dass Ramona der greisen Katze fast den Kopf wegrubbelte. Atatürk hatte sich in weiser Voraussicht hinter die Espressomaschine verzogen und hörte zu, wie seiner Mutter die Gelenke knacksten, als sie nach Ramona krallte (sein Vater war vor Jahren an Herzverfettung gestorben).



„Die gleiche Zicke wie immer“ Ramona schmiss Frau Mao vom Sofa und ging in Stephanes Büro. Dass der seine Joints im letzten, extra ausgehöhlten Band von Marx aufbewahrte, wusste sie seit Jahren. Bisher war es ihr immer zu blöd gewesen, irgendwas zu rauchen (sie musste immer husten dabei). Doch jetzt brauchte sie eine schnelle Lösung und die Aspirin waren alle.



Beherzt langte sie ins Regal. Doch was war das?



Auf dem abgegriffenen Zettel stand doch glatt „Exposé“.



Ramona rannte nach ihrer Brille.

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