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Und jetzt? Kopfkino und das echte Leben

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Als ich Christian ankündigte, dass ich nach Berlin fahre, um mich mit Bloggern zu treffen, lächelte er nur müde. „Eine Bloggerkonferenz – was machst du da denn?“, fragte er. Seit fast sechs Jahren schreibe ich, schieße Fotos, manchmal drehe ich auch Videos – und veröffentliche dies auf meiner Internetseite. Am Anfang wusste keiner von meinen Freunden davon, mittlerweile gibt es keinen mehr, der davon nicht weiß. Und in sechs Jahren habe ich jede Menge Menschen kennen gelernt, die das gleiche tun. Aus den unterschiedlichsten Gründen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Und diese Kontakte sind das, was das Bloggen so besonders machen. Eingestiegen bin ich mit den klassischen privaten Erzählblogs, also Seiten, auf denen Menschen aus ihrem Leben berichten. Der erste Klick fühlt sich mies an, so als ob man alleine in einer fremden Wohnung das Bücherregal studiert und dabei auf alte Fotos, Postkarten und ein Tagebuch stößt. Am Ende hat das Kopfkino die vielen Puzzleteile zu einem Menschen zusammengefügt und entschieden, ob man jetzt häufiger diese fremde Wohnung betritt. Doch irgendwann wird die Neugier größer und das Interesse so groß, dass man überprüfen will, ob dieser Kopfkino-Mensch mit der Real-Life-Variante übereinstimmt. Deshalb trifft man sich. Zum Beispiel auf der re:publica, einer Konferenz, auf der man nicht nur soziale Kontakte knüpft, sondern gleichzeitig noch über Trends im Internet redet. Am letzten re:publica-Abend stand übrigens plötzlich F. vor mir. Ich fühlte mich wie ein 14-jähriges Fan-Girl nur ohne Kreischen. F. hat vor sechs Jahren eines der Blogs geschrieben, das ich sehr gerne las. Nie hatte ich ihn bei einer dieser Veranstaltungen getroffen, doch immer bedauert, dass es seine Internetseite irgendwann nicht mehr gab. Es jawasdennnute in mir: Hingehen oder nicht, du bist doch sonst nicht so schüchtern. Irgendwann fasste ich mir ein Herz und sprach ihn an. Der Rest war leicht. Er hatte mich genauso erkannt, wie ich ihn, wir freuten uns, redeten ein bisschen, er sagte mir seine neue Blog-Adresse und wir gingen wieder auseinander. So wie das eben ist, wenn man einen alten Bekannten auf der Straße trifft, man sich schnell auf den neuesten Stand bringt und dann mit einem vertrauten Gefühl im Bauch weiter geht. Als ich Christian am Telefon von der Begegnung erzählte, sagte er: „Aber du kennst den doch gar nicht.“ – „Ein bisschen ja schon.“

Text: jetzt-Redaktion - Illustration: katharina-bitzl

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