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Ramona und Stephane – Tropicana

Text: klinsmaus
Stephane kratzte sich am Kinn. Sartre irrte: Nicht die anderen waren die Hölle, Kempten war es.



Und seine Mutter – Stephane aschte in eine blauweißrote Marianne - seine Mutter war mindestens ein Unterteufel. Warum sonst würde sie ihm seit Tagen ihre Enkellosigkeit unter die Nase reiben und im selben Atemzug einen mehrwöchigen Besuch bei der besten Freundin ihrer Cousine vorschlagen.



Diese Freundin hatte – welch Zufall! - eine aparte Tochter Mitte zwanzig, die gerade erst an der Sorbonne in Kunstgeschichte promoviert hatte und jetzt – so verstand das zumindest Madame Fink – unbedingt eine Familie gründen wollte. Wie traurig, dass die Arme keinen Freund hatte ....



Stephane hätte kotzen können.



Er nahm ein Petit Four, legte sich vor den Fernseher und sah sich „Die Supernanny“ an. Er kratzte sich am Sack und fragte Angelique nach Dosenbier. Doch die verzog nur angewidert das Gesicht und brachte ihm einen Beaujolais. Hausmädchen waren auch nicht mehr das, was sie mal waren.



Stephane ging zur Tanke. Er kaufte einen Sixpack Jever, ein Red Bull und Chips mit Dönergeschmack. Er fläzte sich vor den Fernseher, schaute Michael Mittermeier und ließ einen fahren. Irgendwie war es das noch immer nicht.



Er ging zum Apothekenparkplatz und zog eine Packung Kondome aus dem Automaten. Dann fuhr er zum „Tropicana“. Der Türsteher hatte zwar lange und sehr komisch auf Stephanes Anzug gestarrt, ihn dann aber doch durchgewinkt. Innen war Stephane dann klar, warum der Türsteher so geschaut hatte: In dem Schuppen war niemand, der annähernd volljährig gewesen wäre. Außer ihm und der Barkeeperin – und die Barkeeperin war Mitte fünfzig.



Stephane wippte trotz allem ein paar Takte zu Deppenelektro, bekam aber Migräne als er zum wiederholten Mal von einer Vierzehnjährigen mit schiefen Lidstrich angetanzt worden war. An der Bar nahm er, was alle nahmen – Wodka Red Bull – und unterhielt sich mit irgendeiner Steffi über Rock im Park. Steffi hatte lange blonde Haare, ein eindrucksvolles Dekolletee und einen mini Minirock. Leider fing sie irgendwann an, über ihren Englisch-LK zu sprechen.



Stephane ging aufs Klo. Er erschreckte sich über das Bild, das sich ihm beim Händewaschen im Spiegel bot: Abgespannt sah er aus, müde und viel älter als 32. Er fühlte sich krank.



„Geht's dir nicht gut?“ - Der Kerl am Nebenwaschbecken hatte zwar lange Haare, schaute aber auch ehrlich besorgt.



„Danke, geht schon.“, Stephane zwang sich zu einem Lächeln. „Aber sag mal, du hast nicht zufällig ein Aspirin?“



„Aspirin nicht“, der Kerl grinste plötzlich sehr geschäftsmäßig, „aber probier mal das hier.“ Er drückte Stephane eine Pille in die Hand. Auf der Pille war ein Disneyzwerg. „Für dich nur 20 Euro.“



Stephane war so perplex, dass er zahlte.



„Danke dir,“ der Kerl rollte den Schein ein. Dann haute er Stephane jovial auf die Schulter: „Wenn du mich mal wieder brauchst – frag nach Schluckas.“

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