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Produkt-Biografie: Lars' Computerspiele

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Bobby Ich ging noch in die Grundschule, in die Klasse der dicken Frau Recht, als ich auf unserem Speicher eine alte Sporttasche mit dem Atari 2600 meines Bruders fand, zusammen mit einem Joystick und ein paar Spielen. Bei Bobby geht nach Hause musste man einem kleinen Jungen (vermutlich Bobby) nach Hause bringen und dafür sorgen, dass er nicht gegen Blumen läuft oder in Wasserlöcher fällt. Das Spiel war ungefähr so blöd, wie es sich anhört, und weil wir damals noch zu jung für Nostalgie und Retrochic waren, beschäftigten sich mein Grundschulfreund Andreas und ich lieber damit, solange an den Schaltern des Atari 2600 herumzudrücken, bis sie kaputt waren.


Zelda Fast wäre das schon das frühe Ende meiner Videospielkarriere gewesen, hätte meine Mutter nicht die Telefonnummer aus einer Anzeige im Gemeindeblättchen angerufen und mir einen gebrauchten Supernintendo gekauft. Ich weiß noch genau, wie die Supernintendospiele rochen, es war der verheißungsvolle Duft von hellgrauem Plastik, der sich mit dem Gestank der Langeweile mischte. Außer natürlich ich steuerte den kleinen Helden Link über unseren Wohnzimmerfernseher, dann war ich stundenlang verloren. Es gab schließlich auch etwas zu entdecken, Rätsel zu lösen, Sachen zu sammeln. The Legend of Zelda: A Link To The Past war endlich eine Geschichte, nicht nur Sport mit den Fingern.


Warcraft II Was aber ist noch schöner, als etwas zu entdecken? Etwas zu bauen! Guido aus der Parallelklasse hatte schon einen eigenen PC, weil sein Vater irgendwas mit EDV machte. EDV-Guido spielte mit seinem Doppelhaushälften-Nachbarn „Warcraft II“, indem sie ein Netzwerkkabel zwischen ihren Fenstern spannten. Was an der Netzwerksache toll sein soll, habe ich bis heute nicht verstanden, aber „Warcraft II“ muss das Faszinierendste gewesen sein, was ich bis dahin auf einem Bildschirm gesehen hatte. Weil ich keinen Computer hatte, dachte ich mir ein Brettspiel aus, das so ähnlich funktionieren sollte, malte Landkarten und klaute Figuren zusammen. Wenn Guido bei mir war, zwang ich ihn, mein Brettspiel mit mir spielen und radierte eifrig die von mir aufgemalten Wälder wieder aus, sobald wir sie als Ressourcen verbraucht hatten. Dann, Weihnachten, bekamen wir einen Computer und ich Warcraft II.


Unreal: Tournament Ich hatte meine Genreheimat gefunden, die ja oft die einzige ist, die einem in der Pubertät bleibt: Echtzeit-Strategie. Einmal spielte ich dann aber doch eine Zeit lang etwas, das Wolfgang Bosbach heute wohl als Killerspiel bezeichnen würde: Unreal: Tournament. Ich wollte wissen, was andere daran so toll fanden, mit einer Figur herumzulaufen und zu schießen statt ganz viele Figuren zu bauen um anschließend mit ihnen herumzulaufen und zu schießen. Irgendwie war Unreal: Tournament aber doch so wie Bobby geht nach Hause, vielleicht weil ich das mit dem Netzwerk immer noch nicht verstanden hatte. Computerspiele waren für mich mehr Bücher als Spiele und Bücher liest man ja auch alleine.


Day of the Tentacle Wobei, sie sind eher Filme als Bücher. Manchmal sitzt man eben doch zu zweit davor – oder einer sitzt davor, während der andere rauchend auf dem Balkon steht und Sätze ruft wie: „Probier doch mal den Holzhammer mit George Washington!“ Wenn das passiert, weiß man, dass man jetzt alt genug ist für Retrochic und dass man sich statt Grand Theft Auto IV zu kaufen ScummVM www.scummvm.org heruntergeladen hat, ein kleines Programm, mit dessen Hilfe sich die alten Point-and-Click-Adventures von LucasArts spielen lassen. Aber ich bin sicher, dass es nicht nur der Retrochic sein kann, der angetrunkene Nerds manchmal dazu verleitet, Day of the Tentacle als das beste Computerspiel aller Zeiten zu bezeichnen. Es gibt schließlich auch etwas zu entdecken, Rätsel zu lösen, Sachen zu sammeln. Und tolle Dinge vom Balkon ins Zimmer zu rufen. „Vielleicht müssen wir auch die Plastikkotze in die Zukunft spülen!“

Text: lars-weisbrod - Illustration: Dominik Pain

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