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Ramona und Stephane - Gruppendynamisches Training

Text: klinsmaus
Ramona war am Limit. Gerade hatte ihr der fünfte Mann erzählt, dass er sie für ihre geistige Klarheit schätze, sie aber körperlich unattraktiv fände. Dann war er in Tränen ausgebrochen.



Dieses Gruppendynamische Training war ein Alptraum. Auch wenn Sozialpädagogik brillant und toll war – dieser Teil hier war das Letzte. Und Frau Mösl-Höpfl machte es auch nicht besser. „Sag uns doch, Raphael“, flötete sie betont empathisch, „was genau ist es, das Ramona in deinen Augen unattraktiv macht?“



„Ich weiß nicht ...“, schluchzte Raphael, „ich ... ich bin mir so unklar über ... über ... mein Frauenbild und über mei.. meine Männlichkeit. Das ist so schwer für mich.“ „Ich fühle großen Schmerz,“ Mösl-Höpfl schenkte ihm ein sehr sozialpädagogisches Lächeln „nimm dir alle Zeit und allen Raum, den brauchst“. Raphael schnäuzte sich: „Also. Also. Ein bisschen mehr Titten könnte sie schon haben, halt.“



Ramona schnaubte. DAS war nun das endgültig L.E.T.Z.T.E.



„Wie geht es dir damit?“ Mösl-Höpfl wandte sich ihr zu. Sie kam so nah, dass Ramona den schwarzen Ansatz ihrer hennaroten Haare sehen und einen leichten Waschnussduft riechen konnte.



Doch das interessierte Ramona jetzt nicht. Sie steckte in einem großen Zwiespalt. Einerseits war Mösl-Höpfl ihr großes Idol und das war das endgültig erste Mal, dass sie Ramona ihre volle Aufmerksamkeit schenkte. Andererseits ...



„Ich empfinde, dass ... Raphael ruhig mal in den Spiegel schauen könnte! Und dann, dann soll er sein SCHEIßmaul halten, wenn nur SCHEIßE rauskommt!!!“



Ramona biss sich auf die Zunge. Sie schaute in die Runde. Alle, auch Mösl-Höpfl, starrten sie entsetzt an. Ramona hatte es versaut.



Mösl-Höpfl fasste sich zuerst: „Ramona“, sagte sie, „ich wertschätze zwar Vitalität und Offenheit, aber“, sie runzelte die Stirn, „Gewaltfreie Kommunikation ist das A und O in unserer Berufung. Das ist nun einmal so. Wenn du das so offensichtlich nicht für dich annehmen kannst“, über Mösl-Höpfls Augen bildete sich jetzt eine Monobraue, „dann solltest du deinen Berufswunsch vielleicht noch einmal überdenken.“ Sie wandte sich wieder der Gruppe zu.



Ramonas Welt brach zusammen. Sie würde es nicht schaffen. Sie würde nie Starsozialpädagogin werden. Alles war sinnlos. Es sei denn ...



Mit einem lauten Schluchzer brach Ramona in Tränen aus. In diese Heulkrampfleistung musste sie alles legen, das wusste sie. Sie weinte eine halbe Stunde. Eine weitere Viertelstunde schluchzte sie herzerweichend. (Mösl-Höpfl hielt die ganze Zeit ihre Hand.) Nach einer Dreiviertelstunde merkte Ramona, dass ihr langsam die Energie ausging. Sie ging zum Stammeln über.



Fünf Minuten bestritt sie mit „Ich ..ich...ich“ (tbc), fünf weitere mit „Ich weiß nicht ...“ und nochmal drei mit „Irgendwie ...so ... halt“.



Dann – endlich - holte sie aus zum großem Coup: „Mein Mitbewohner knebelt Katzen.“



Frau Mösl-Höpfl brach in Tränen aus.

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