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Ramona und Stephane - Akustikgitarreninferno

Text: klinsmaus
Ramona runzelte die Stirn. Was war bloß los mit Stephane? Offensichtlich war er auf Atkins-Diät. Was sonst konnten die Fleischberge bedeuten? Sie schloss die Kühlschranktür.



Auch sonst schien einiges nicht zu stimmen. Stephane redete immer öfter mit sich selbst und zwar in aller Öffentlichkeit. Meistens brummelte er etwas von „Döner“ und „Happa Happa“ - total gestört, der Gute. Schon drei Kommilitonen hatten Ramona zur Seite genommen und sie mitfühlend-sorgenvoll gefragt, ob es für sie in Ordnung sei, mit so einem Psychowrack zusammenzuwohnen. Klar sei man da in seinem professionellen Ehrgeiz gefordert, aber man müsse auch seine Grenzen kennen. Das gelte auch und vor allem für Sozialpädagogen.



Zwar sträubte sich alles in Ramona dagegen, die Allmacht und Allanwendbarkeit der Sozialpädagogik infrage zu stellen, aber auch ihr kam das alles langsam ziemlich unheimlich vor. Besonders nervte sie, dass sie trotz ihres Sozialpädagogentums so gar nicht wusste, was Sache war.



Vielleicht brachte eine kleine Razzia einen ersten Anhaltspunkt?.



Wenig später bedauerte Ramona ernsthaft ihre fehlende Einbruchserfahrung. Wenn sie das schon ein paar mal gemacht hätte, gäbe es kein so beschissenes Theater mit dieser Tür hier. Dann wüsste sie, wie man das mit Kreditkarten machte. Brecheisen hinterließen so unschöne Splitterspuren. Aber sei's drum: Der Erkenntnisgewinn rechtfertigte auch ungewöhnliche Mittel.



Und für diesen Anblick lohnte sich ein wenig kriminelle Aktivität allemal. Die an die Wand gepinnten Damen aus allerhand Epochen und in diversen Nacktheitsgraden waren da noch das wenigste. Erheblich spektakulärer waren da schon die schwarz-weiß Aufnahmen von angeknacksten Ellenbogen, die – vermischt mit Tomatensaftdosen und Johnny-Cash-CDs - auf dem Boden verteilt waren.



Die zerwühlte Bettwäsche kündete ebenso von Stephanes Ringen um Inspiration wie zahllose Espressotässchen, vollgeaschte Blumentöpfe und eine zertrümmerte Akustikgitarre (sogar Ramona wusste, dass das Zertrümmern von Akustikgitarren lachhaft war; wenn, dann musste man schon eine E-Gitarre nehmen). Überall lagen Kleiderfetzen, Bilder, auf denen Katzen Dinge zerkratzten, und rot unterringelte Zeitungsausschnitte, die sich mit Erdbeben, Wirtschaftskrisen und Schiffsunglücken beschäftigten.



Auf dem Schreibtisch türmten sich Rotweinflaschen, Karteikärtchen, Handlungsskizzen, Psychogramme und mit Schreibmaschine betippte Fließtextfetzen. Was für ein Saustall!



Und dann der Geruch! Es stank penetrant übel nach etwas, das Ramona zwar kannte, aber nicht genauer definieren konnte. Sie war sich aber fast sicher, dass sie etwas ähnliches von Kurzem erst gerochen hatte und zwar ... und zwar auf ... dem Klo! Genau: So hatte Frau Maos Katzenklo gerochen!



Aber! Frau Mao war weg! Schon seit Wochen!



Eines war sicher: Ramona musste die Wohnheimsleitung informieren. Sofort!



Ramona zog ihr Handy und wollte schon die Nummer eintippen, als sie es maunzen hörte. Es maunzte unheimlich kläglich und unzweifelhaft unter Stephanes Bett.



Beherzt griff Ramona nach unten. In dem Stahltransportbehälter, den sie hervorzog, saß eine dicke Katze.



Sie war rot-weiß getigert und hatte einen Knebel im Maul.

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