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Und jetzt? Die Krise und der zarte Hauch der Ahnungslosigkeit

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"Und jetzt?" könnte als Denkblase zur Zeit über jedem Staatenlenker- und jedem Zweitreihen-Politikerkopf in jeder Nachrichtensendung stehen. Niemand weiß mehr, was er tun soll. Nur noch Experten können so tun, als wüssten sie es, werden aber sofort von qualifizierteren Experten widerlegt, hinter denen nobelpreisgekrönte Experten lautstark den Kopf schütteln - und am Ende kommt Peter Hahne und sagt: "Der Verlust der Werte ist Schuld. Früher hätte es das nicht gegeben." Meine Werte sind in Ordnung und eine Finanzkrise wird bei einem Autor sowieso vorausgesetzt, früher auch schon. "Und wovon lebst Du?", werde ich gefragt, wenn ich mich mit meinem Beruf vorstelle. Jedes Mal. Leben kann ich natürlich vom Autorendasein nur, weil die Fixkosten in Berlin denen in Manila entsprechen. Würde ich in einer realen deutschen Stadt leben, müsste ich meinen Körper für medizinische oder sexuelle Experimente verkaufen, so muss ich nur mein Innerstes nach Außen kehren. Was man eben von Autoren so verlangt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Nun ist mein Innerstes jedoch einerseits äußerst begrenzt, andererseits bin ich aufgrund eines angeborenen Phlegmatismus nicht in der Lage, mich allzuoft vom Fleck zu bewegen, was dazu führt, dass ich darauf angewiesen bin, mir einfach so etwas einfallen zu lassen. Was mir halt durch den Kopf geht. Aber immerhin: Ich kann besser schreiben als denken, was zwar nach herrschender linguistischer Meinung Unfug ist, aber auf einer unwissenschaftlichen Ebene stimmt. Entschuldigen Sie bitte! Ich habe die Gesetze der Logik nicht geschaffen. Ich habe auch eine Putzfrau, die mehr verdient als ich. Wie ich sie mir leisten kann, ist mir unerklärlich. Überhaupt spüre ich dieser Tage diesen zarten Hauch der Ahnungslosigkeit, der auch das Antlitz unserer Kanzlerin umweht. Werden iPhones bald schwerer zu ergattern sein oder müssen wir bald gar Hamstertouren machen, um Eier zu erstehen? Ist das Ausmaß dieser Krise eher 1618-1648 oder 1973-1983? Wer macht dieses Mal die geistig-moralische Wende für uns? Oskar Lafontaine? Oder gleich Sahra Wagenknecht? Wenn wir insolvent sind - bailt uns der Vatikan out oder übernimmt Putin unsere Gasrechnung? Kann Peking nicht einfach befehlen, dass wieder 2007 ist und wir löschen die vergangenen Monate aus unseren Browsern und verpulvern unsere Abwrackprämie auf exklusiven Drogenparties? Niemand weiß mehr, was er tun soll und damit ist die Menschheit wieder in ihrem zum Symbolismus neigenden Urzustand. Als Tschernobyl war, aß man keine Pilze mehr und als BSE war, türmte man Rinder auf. Jetzt pumpt man ein wenig Geld (das ist das, was man vorher für Schulen und Universitäten nicht hatte) in Autos, die keiner will und den Rest in eine bayrische Bank mit englischem Namen. Und hofft leise: "Und jetzt!" ** Mehr vom Autor unter malte-welding.de

Text: jetzt-Redaktion - Illustration: Katharina Bitzl

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