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Die Yes Men bringen die Welt - Interview mit Mike und Andy

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Wie kam es zu dem Film „The Yes Men Fix The World“? Mike: Wir geben uns als Repräsentanten von Firmen aus und schleichen uns auf Konferenzen, auf denen wir satirisch überzogene Vorschläge präsentieren. Wir wollen zeigen, wie die Unternehmen in Wahrheit sind. Bei dem letzen Film hatten wir ein paar Freunde, die uns dabei folgten und eine Dokumentation über uns drehten. Diesmal haben wir uns dafür entschieden, uns selbst zu filmen. Es sollte ein polemischerer Film werden mit einer eindeutigen Haltung.

In einem Live-Interview mit der BBC kündigt ihr im Namen von Dow Chemical eine Entschädigung für die Opfer des Chemieunfalls im indischen Bophal an. Der Aktienkurs der Firma brach danach um drei Prozent ein. Habt Ihr nie befürchtet, dass die ganze Sache ziemlich teuer für Euch werden könnte? Mike: Anfangs hatten wir schon Angst. Es hieß, die US-Börsenaufsicht würde uns anzeigen, weil wir die Aktienkurse manipuliert hatten. Wir dachten schon, wir würden von einer internationalen Finanzpolizei verhaftet. Aber die haben schnell eingesehen, dass wir nicht genug Geld hatten, um aus dem Aktienkurs irgendein Kapital zu schlagen. Andy: Wir hoffen immer, dass wir einmal verklagt werden. Aber das hat bis jetzt noch nicht geklappt. Die Unternehmen haben leider begriffen, dass wir dann genau die Aufmerksamkeit bekämen, die wir wollen. Als wir über den „Prank“ nachdachten, haben wir eher überlegt, ob wir den Opfern von Bophal damit zusätzliches Leid zufügen. Wie haben die Überlebenden des Chemieunfalls denn auf die Falschmeldung reagiert? Mike: Sehr positiv! Die Überlebenden der Katastrophe waren froh, dass wir das gemacht hatten. Denn sie sind nicht nur Opfer sondern auch Aktivisten, die bereits seit 20 Jahren versuchen, Dow für den Unfall zur Verantwortung zu ziehen. Die wollen öffentlich machen, dass Dow den Dreck immer noch nicht weggemacht hat und das Wasser dort immer noch vergiftet ist. Andy: Manchmal geben wir den Journalisten nur einen Anlass, über die Dinge zu schreiben. Vor dem BBC-Interview gab es in den USA kaum Berichte über den Jahrestag der Katastrophe. Nachdem wir die Ente in die Welt gesetzt hatten, haben alle darüber berichtet. Das ist eine Art Arbeitsteilung: Wir übernehmen die PR und die Aktivisten machen die kontinuierliche Arbeit. Seht Ihr Euch als Teil einer Bewegung von Prankstern, politischen Scherzbolden? Mike: Auf jeden Fall. Schon bei den Griechen haben die Menschen ihre Kreativität verwendet, um die Verhältnisse in der Politik anzuprangern – beispielsweise Aristophanes. Auch heute gibt es eine Menge Leute, die ähnliche Methoden nutzen wie wir. Zum Beispiel der „Pink Block“ der Globalisierungsbewegung oder die Rebel Clown Army. Inspiriert haben uns auch Gruppen wie „Act Up“, die in den 80er Jahren in New York gegen die Aids-Politik protestierten, oder die Yippies und die Situationisten. Andy: Vor kurzem hat ein anderer „Prankster“ verhindert, dass die Bush-Regierung öffentliches Land an die Ölindustrie versteigert. Er hat sich auf die Auktion geschlichen und einfach angefangen mitzubieten. Anfangs hat er nur den Preis hochgetrieben, aber schließlich hat er das gesamte Land ersteigert. Als sie es dann gemerkt haben, wurde die Auktion abgebrochen. Auf der nächsten Seite: Warum Menschen Autoritäten glauben und deshalb nicht merken, wenn sie zum Narren gehalten werden.


Warum werden Eure Streiche so selten erkannt, obwohl sie oft absurd sind, wie der SurvivaBall-Überlebensanzug für Manager, den ihr für die Firma Halliburton als Lösung für den Klimawandel präsentiert habt? Mike: Menschen neigen dazu auf Autoritäten zu hören. Das nutzen wir aus. Auf den Konferenzen sind wir oft die Personen mit der größten Autorität. Jedenfalls denken das alle. Dann wird im Publikum vielleicht registriert, dass wir absurde Dinge tun, aber dennoch sagt niemand etwas, weil sie im Anschluss noch unsere Visitenkarten haben wollen. Es kann sehr lustig sein, Menschen dabei zuzusehen, wie sie nicht reagieren. Der SurvivaBall ist zum Beispiel wirklich lächerlich, darin sieht man aus wie eine große aufgeblasene menschliche Kugel. Eindeutig völlig verrückt! Man erwartet, dass die Leute aufstehen und sich aufregen, aber es passiert absolut nichts. Andy: Einmal wurden wir auf einer Veranstaltung rausgeworfen. Das war bisher die drastischste Reaktion. Wir präsentierten Kerzen aus Vivoleum, das vermeintlich von Exxon Mobile aus toten Menschen hergestellt wurde. Aber meist bemerken die Leute nicht, wenn sie zum Narren gehalten werden. Mike: Zu erst wollten wir ein gegrilltes Schwein so anrichten, dass es wie ein Mensch aussieht und die Gäste dazu bringen „Menschenfleisch“ zu essen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Werbung für die Weltretter: Auf dem Potsdamer Platz in Berlin werben zwei verkleideite Männer für den Film "The Yes men fix the world", der auf der Berlinale im Panorama lief. Foto: dpa Ist es nicht erschreckend, dass ein Geschäftsanzug ausreicht, um sich Autorität anzueignen? Mike: Das ist mit echter Autorität nicht anders. Die anderen Anzugträger sagen teilweise Dinge, die genauso lächerlich sind wie das, was wir sagen. Das wollen wir entlarven. Das ist wie in dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern: Jeder stimmt darin über ein, dass der Kaiser Kleider trägt. Weil keiner zu sagen wagt, dass er nackt ist. Es geht uns nicht darum, törichte Dinge zu tun. Wir wollen zeigen, dass die Wirklichkeit oft töricht ist. Seit 30 Jahren predigen die Führer der westlichen Welt, dass Deregulierung und freie Märkte mehr Wohlstand bringen. Und alle glauben es. Obwohl das Gegenteil der Fall ist. Wie finanziert ihr Eure Coups? Beispielsweise eine gefälschte Ausgabe der New York Times mit über einer Millionen Exemplaren zu drucken und zu verteilen? Mike: Mit Spenden, die über unsere Mailingliste hereinkommen. Aber so teuer war das gar nicht: 100.000 Exemplare haben etwa 7000 Dollar gekostet. Beim Verteilen haben uns dann hunderte Freiwillige geholfen. Andy: Die Ausgabe der New York Times vom 4. Juli 2009 handelt davon, was geschehen müsste, um diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Es gibt viele Dinge, die wir leicht anders machen könnten. Oder wir könnten unsere Politiker dazu bringen, etwas anders zu machen. Und was werdet Ihr als nächstes machen? Andy: Abwarten, das kann ich noch nicht verraten. Mehr über die Rolle von Clowns und Witzen in Fragen des politischen Widerstands im Interview mit Klaus Werner-Lobo, Autor des Buchs „Uns gehört die Welt“. Mehr über die Berlinale in der gleichnamigen Kolumne auf jetzt.de

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