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„Berlinale, Alter!“ Mit Brooke Nevin, Nazis und Selbstmord

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Teil 3: Ein Blick abseits des Mainstreamkinos und ein Interview mit Brooke Nevin aus „My Suicide“. Ständig geht es bei der Berlinale um den roten Teppich, um den Glanz und den Glamour sowie die großen Stars und kleinen Sternchen. Das ist verständlich und traurig zugleich. Denn gerade abseits der ausgetretenen Pfade des verzuckerten Popcorn-Kinos sind oft die wirklich wertvollen Juwelen versteckt. Filme, die sich mal wieder etwas trauen, die etwas riskieren und einfach anders sind. Das muss selbstverständlich nicht zwangsläufig besser sein, schärft aber den Blick, um auch mal wieder über den großen Hollywood-Schriftzug hinwegsehen zu können.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

So zum Beispiel im düsteren Doku-Drama „Rossiya 88“ über eine Skinhead-Gruppe in Moskau, bei der man als Zuschauer am Ende gar nicht mehr weiß, ob Applaus wirklich die angemessene Reaktion auf die verfilmte Darbietung von verblendeter Nazi-Ideologie ist. Oder „La Journee De La Jupe“, in der Isabelle Adjani die überforderte Lehrerin einer Problemschule spielt und nach einer Auseinandersetzung mit einem ihrer Schüler plötzlich in den Besitz einer Schusswaffe kommt. Hervorragend umgesetzt wurde auch „My Suicide“ von David Lee Miller. Darin geht es um den Schüler Archie (Gabriel Sunday), der im Rahmen eines Videoseminars seiner Schule seinen eigenen Selbstmord filmisch festhalten will und in der Schulschönheit Sierra plötzlich eine Gleichgesinnte findet. Mit schnellen Schnitten, verwackelter Handkamera und obskuren Cartoon-Einflechtungen entspringt dabei ein packender US-Indie in MTV-Ästhetik, der gleichermaßen wachrüttelt und begeistert. Wir sind mit Hauptdarstellerin Brooke Nevin mal ein paar Film-Zitate durchgegangen. „Selbstmord ist die dauerhafte Lösung eines temporären Problems.“ Wenn du so eines dauerhaft lösen wollen würdest, wie würdest du das anstellen? Brooke Nevin: Fragst du mich gerade wirklich, wie ich mich umbringen würde? Über so etwas denke ich überhaupt nicht nach. Das habe ich auch noch nie, sondern immer nach einer Lösung im Diesseits gesucht. Dadurch war es für mich aber umso spannender, mich dieser Rolle anzunehmen. Da musste ich dann vergleichbare Gefühlszustände heranziehen, um die Figur damit auszufüllen. Das war nicht immer ganz einfach. „Lebe schnell, sterbe jung und sehe gut aus als Leiche.“ Was würdest du anziehen, wenn du Selbstmord begehen würdest? Um stilvoll zu sterben, würde ich wahrscheinlich meine Disco-Boots anziehen. Die elegante Nummer kann schließlich jeder. „Liebe und Tod kommen aus ein und derselben Welt.“ Worin liegt deiner Meinung nach die Faszination in der cineastischen Verschmelzung beider Komponenten? Das liegt wohl vor allem an dem Glauben an die ewige Liebe. Man weiß schließlich nicht, was einen im Jenseits erwartet. Aber man hofft wohl, durch ein gleichzeitiges Ableben in denselben Lift steigen zu dürfen – in welche Richtung auch immer. „Wer Angst hat vorm Leben, spielt bereits heute schon die leeren Noten seiner Bestattungsmelodie.“ Gibt es ein bestimmtes Lied, das du auf deiner Beerdigung spielen wollen würdest? Ich hoffe inständig, dass die Leute dann meines Lebens gedenken und nicht meines Todes. Deswegen liefe da wohl eher irgendwas Jazziges. Eine Swing-Nummer zum Beispiel. Ich würde meinen Tod aber auch nicht durch ein bestimmtes Stück romantisieren wollen, wenn er unter tragischen Umständen eintreten sollte. Letztlich wäre es mir aber auch egal, schließlich wäre ich tot. Aber ich hoffe inständig, dass es bis dahin noch ein paar Jahrzehnte dauert. Ich habe nämlich noch ein bisschen was vor. „Ich schreibe nicht über den Tod, sondern über das Blut in meinen Adern. Ein dreckiger Mix aus Stolz, Scham und Schmerz – in anderen Worten: Leben.“ Würdest du sagen, euer Film handelt mehr vom Leben oder mehr vom Tod? Definitiv vom Leben. Deshalb sind wir schließlich hier und sollten daher zusehen, aus jedem Tag das Beste zu machen. Du darfst dich also geehrt fühlen, dass ich meine Zeit gerade mit dir verbringe (lacht).

Text: daniel-schieferdecker - BIld: rtr

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