Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Deine Mutter tötet Tiere! Ein Dokumentarfilm über radikale Retter

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

So löblich ihr Job doch ist: Sie können einem ganz schön auf den Senkel gehen, die jungen Leute in grün auf der Straße, die einem von wichtigen Mitgliedschaften im Tierschutz-Club erzählen wollen. Man umtänzelt sie, geht im Slalom an ihnen vorbei und schenkt ihnen dabei normalerweise kaum mehr Aufmerksamkeit als den anderen Street-Promotern, die an sich viel belangloseres Zeug wie Fitness-Studio- und Frauenzeitungs-Abonnements oder noch Schlimmeres loswerden wollen. Die Tierrechtler finden’s nicht ungewöhnlich, dass sie so gut es geht ignoriert, sie geradezu links liegen lässt. Hat ja auch keiner mehr Zeit heutzutage, weder für den Tierschutz-Club noch für ein Schwätzchen mit Fremden über Walfang und Tierlabore. Manche Aktivisten allerdings haben das freundliche Anquatschen in der Fußgängerzone mittlerweile frustriert hinter sich gelassen und neue, radikalere Methoden für den Tierschutz entwickelt.

Kampagnenmaterial von SHAC Der amerikanische Produzent, Regisseur und Drehbuchautor Curt Johnson zeigt in seinem Dokumentarfilm „Your Mommy Kills Animals“ die Demonstranten, die in den USA immer wieder mit knallhartem Durchgreifen gegen Tierversuche und dafür verantwortliche Pharmaunternehmen sowie deren Sponsoren aus der Wirtschaft für Aufsehen sorgen. Johnson, der mit seinen spektakulären und ständig umstrittenen Dokus „American Drug War: Last White Hope“, „New York Hardcore“ sowie dem Academy-Award-Gewinner „Thoth“ populär wurde, lässt neben organisierten Tierrechtlern aber auch die Gegenpartei zu Wort kommen, was „Your Mommy Kills Animals“ zur offenen Diskussion mit jeweils streng-starren Ansichten macht. Johnsons Film beginnt mit einer Szene aus einer Einkaufspassage, in der eine Nerzträgerin von Hinten mit einem Baseballschläger umgeknüppelt wird. Aus dem Off raunt eine belehrend klingende Stimme: „Was wäre, wenn man Sie wegen Ihres Mantels tötete?“ Es folgen Szenen aus Tierheimen, in denen wegen Überfüllung einigen Hunden einfach der Hals umgedreht wird und sie in Lastwagen irgendwohin abtransportiert werden. Popstar Joss Stone taucht mit einem Welpen auf dem Arm auf und sagt, sie wüsste auch keine gute Erklärung, warum man den süßen Dingern Böses wollte. Dann schippert ein Greenpeace-Schlauchboot auf offenem Meer vor dem XXL-Dampfer einiger Walfänger und fährt immer wieder zwischen Harpune und Wal, um den bevorstehenden Mord zu verhindern. Der Trailer:

Eine schnell emotionalisierende Szene jagt die nächste, bis der verbale Krieg zwischen Tierrechtlern und Pharmaindustrie vor allem in Interviews mit Vertretern aus beiden Lagern ins Zentrum gerückt wird. Ein dicker Mann, der Tierversuche für notwendig hält, steht vor einer endlos scheinenden Hundezwingerlandschaft und sagt, die Tiere wären wie seine Kinder – „und mir schreibt man nicht vor, wie ich meine Kinder zu erziehen habe!“ Mitglieder von SHAC („Stop Huntingdon Animal Cruelty“), einer Organisation, die sich gegen die größten Labore für Tierversuche in Huntingdon und Occold in England sowie in New Jersey richtet und weltweit in 18 Ländern agiert, zetern dagegen. Ein paar von ihnen stehen in den Staaten wegen zu krassem Vorgehen gegen Tierversuche vor Gerticht. Unter anderem veröffentlichten sie auf ihrer Homepage () die Namen, Adressen und Telefonnummern derjenigen, die Hunden, Affen und anderen Tieren das Leben schwer machen oder gleich ganz nehmen, um neue Medikamente für Menschen an ihnen zu testen. Man bezeichne sie als Terroristen, sagen die SHAC-Aktivisten, selbst das FBI hätten sie ständig am Hals – und alles nur, weil sie sich gegen verfassungswidrige Zustände wehrten. Einzelne SHAC-Grüppchen werden gezeigt, wie sie mit Megaphonen vor den Privatwohnungen von Pharmaunternehmern stehen und ihnen über Stunden mit wüsten Beschimpfungen den letzten Nerv rauben. Wenn es zum direkten Aufeinandertreffen kommt, werden im Film lediglich die Beschimpften gewalttätig, von Polizisten verhaftet und abgeführt. Die Tierrechtler bleiben zufrieden zurück. „Your Mommy Kills Animals“ ist gerade durch den offenen und beidseitig aufgenommenen Schlagabtausch eine ziemlich spannende Dokumentation geworden. Sicherlich kommen diejenigen, die den Tieren das Fell über die Ohren ziehen, viel schlechter weg als die Tierschützer mit ihren extremen Aktionen. Und trotzdem entsteht nicht der Eindruck, dass Johnson jeden Handgriff der SHAC und ihrer Sympathisanten gutheißen möchte. Ein teils schockierender und wütend machender, besonders aber informativer Film zu einem heiklen Thema - dem Thema der junge Leute in grün in der Fußgängerzone.

„Your Mommy Kills Animals“ von Curtis Johnson ist am 16.01. auf DVD erschienen (mindjazz pictures/Al!ve).

  • teilen
  • schließen