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"Ich gehöre einer aussterbenden Zunft an"

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jetzt.de: Der ein oder andere Zuschauer wird erst mal irritiert sein, dich beim ZDF Wahlabend zu sehen. Wie kam es denn dazu? Markus Kavka: Klar, das wird manche überraschen, schließlich verbinden mich viele, zumindest was Fernsehen betrifft, ausschließlich mit MTV. Ich war eigentlich schon immer ein politisch interessierter Mensch und das scheint wohl auch zum ZDF durchgedrungen zu sein. Letztes Jahr war ich bei Maybrit Illner für eine Sendung, in der es um die „Jugend von heute“ und deren Politikverdrossenheit ging. Ich vertrat den Standpunkt, dass man junge Leute vor allem online gut erreichen kann. Bei den US-Wahlen gab es dann diese live Online-Sendung mit Claus Kleber, die sehr gut ankam. Da wollen wir anknüpfen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wie schaut es denn mit deinem eigenen politischen Engagement aus? Ein Projekt, das mir sehr am Herzen liegt ist der Blog gegen Nazis, stoerungsmelder.org, bei dem ich mitschreibe und für den es 2007 den Grimme Online Award gab. Den will ich auch auf jeden Fall weiter pflegen. Politik war für mich immer ein Thema, schon als ich mit 16 noch in der Schülerzeitung war. Ich war immer weit links, was an einem Gymnasium, bei dem der Direktor gleichzeitig auch CSU Stadtrat ist, nicht immer gern gesehen wurde. Wie kann man sich diese Internetsendung vorstellen? Wir senden live aus einem Hörsaal der Uni Gießen. In meinem Team wird unter anderem der Parteienexperte Karl-Rudolf Korte sein, der sonst auch immer beim ZDF-Wahlabend zu sehen war. Der Hauptpunkt ist natürlich der rege Austausch mit der Netzgemeinde. Sei es über Chat, über den Mikroblogger-Dienst Twitter oder Skype. Wir sprechen über den Internetwahlkampf der Parteien, verfolgen auch die anderen Wahlsendungen, sprechen mit politischen Bloggern. Ich werde im Verlauf des Abends zur ZDF Haupt-Wahlsendung geschaltet und dort über die Reaktionen im Internet berichten. Der Internetwahlkampf für und von Obama ist bereits legendär. Kann das in Deutschland ähnliche Ausmaße annehmen? Das lag sicher auch daran, dass Obama selbst sehr Internet-affin war und das ganze dadurch auch glaubwürdig rüberkam. Ich wundere mich manchmal über deutsche Politiker, die schnell vor der Wahl einen Video Blog einrichten, dann aber die Kommentarfunktion vergessen. Da hat jemand Web 2.0 wohl noch nicht richtig verstanden. Aber ganz klar spielt der Wahlkampf im Netz eine viel größere Rolle als noch vor den Bundestagswahlen 2005. Plötzlich sieht man Videos, die Roland Koch im Mc Donalds zeigen. Also das menschliche spielt schon eine immer wichtigere Rolle. Ansonsten steckt das Ganze schon noch in den Kinderschuhen. Die positiven Reaktionen und die rege Teilnahme an der Onlinesendung von Claus Kleber zeigen aber, dass die Internetcommunity auf so etwas gewartet hat. Glaubst du, Onlinesendungen, Blogs und Podcasts können das traditionelle Fernsehen irgendwann ersetzen? Das ist schwer zu sagen. Wir haben momentan auf jeden Fall eine rasante Entwicklung, allerdings gibt es ganz viele Dinge, die dagegen sprechen. Das Internet würde ich eher als eine Ergänzung sehen. Der Vorteil ist, dass es schneller und ehrlicher ist. Die Sache an Web 2.0 ist aber auch, dass jeder jeglichen Müll reinschreiben kann. Da nimmt das Fernsehen schon eine wichtige Filterfunktion ein und hat ein ganz anderes Standing. Vor allem in der Politikberichterstattung steht das Fernsehen für seriöse Informationen. Trotzdem: Wer hätte vor 10 Jahren gedacht, dass eine Internetsendung am Wahlabend live in das große ZDF geschaltet wird? Wenn du einen Sendeplatz zur freien Verfügung hättest - was für ein Format würdest du am liebsten machen? Bei meiner Liebe zum Fußball war mein großer Traum natürlich immer das Aktuelle Sportstudio (lacht). Da hat man als Quereinsteiger aber schlechte Chancen. Gerne mache ich schon Sachen über Popkultur und auch politische Themen. Das liegt ja oft gar nicht so weit auseinander. Was in Hessen im letzten Jahr alles passiert ist, nimmt ja schon popkulturelle Züge an. Früher warst du täglich bei MTV zu sehen, jetzt wurden die Moderatoren weitgehend abgeschafft. Wie stehst du dazu? Das ist für mich sehr nachvollziehbar. Das Musikgeschäft ist nicht mehr wie Mitte der Neunziger, als man Musikvideos einzig und allein im TV sehen konnte. Jetzt kursieren die schon wochenlang im Netz, bevor sie MTV überhaupt erst abfeuert. Man kann nicht so tun, als hätte sich da nichts getan. Über die Inhalte der US-Serien, die jetzt viel auf MTV laufen, lässt sich sicherlich streiten. Man muss ihnen aber lassen, dass sie wahnsinnig erfolgreich sind. Auch Sehgewohnheiten ändern sich. Musikvideos sind das eine, aber Moderatoren das andere. Im Prinzip wurdest du doch ersetzt? Ja, wenn du so willst, gehöre ich einer aussterbenden Zunft an(lacht). Aber ich verstehe das total und häng da nicht dran wie Stirnglatzenträger an ihren Nackenhaaren. Zwei Formate moderiere ich übrigens ja noch. Es hat mir immer viel Spaß gemacht, deshalb bin ich auch froh, dass das nicht ganz aus meinem Leben verschwunden ist. Softer Abgang sozusagen.

Text: natalie-berner - Foto: privat

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