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Das Haus

Text: virgina
Ich weiß. Ich habe es gut. Aber um das Haus meiner Kindheit habe ich wirklich tapfer gekämpft. Ich liebe es, es ist meine Heimat. Wie oft wollte es mein Vater verkaufen. Mein Veto hat geholfen.

Zwei Brandbomben sind hier 1944 eingeschlagen.

1973 hat es gebrannt. Oh, das fanden mein Bruder und ich echt spannend. Die Feuerwehr rückte mit 4 großen Löschzügen an und wir konnten alles beobachten vom Nachbarhaus aus, wohin man uns Kinder in Pyjama und Elterns Wintermänteln in Sicherheit gebracht hatte. Aufregend, sensationell. Endlich was los in der kleinen Straße.

Es wurde dann ständig herumrenoviert und erneuert, die Ölöfen flogen raus, die Mieter verstarben und dann verlor ich dort in einem bestimmten Zimmer ohne großen Emotionen - der Mann war ein Klotz - meine Unschuld - die Eltern waren verreist. Das Laken vergaß ich leider zu verstecken. Seither gab ich nichts mehr preis.

Nicht vergessen habe ich, dass mein Vater öfters mich gezüchtigt hatte, weil ich so frech war und meine Mutter einmal eine antike Kommode aus Wut beinahe 2 Stockwerke heruntergeworfen hat. Sie schrie und schrie. Auch leerte sie den geheimen Inhalt einer Schublade in meiner Abwesenheit mitten in meinem Zimmer aus. Das war Verrat. Sonst war meine Mutter eine Dame auf ihrem blauen Dürrkopp-Fahrrad.

Am liebsten hatte ich Gewitter. Meine Tiere aus Stoff waren bei mir und beschützten mich und meine Großmutter, Zeugin Jehovas, sprach mir vom bevorstehenden Weltende, das mich in süßes Entsetzen versetzte. Oft waren meine Eltern weg abends. Ich wachte auf, weckte meinen kleinen Bruder, mitten in der Nacht. Knipste alle Lichter an, weil ich so Angst hatte. Aber meine Eltern waren eigentlich grundsolide. Tranken nicht, rauchten nicht, bürgerlich. Meine Mutter war immer zuhause.

Das aber doch eben Interessante war der Beruf meines Vaters.

Kunst- und Antiquitätenhändler.

Aus einem Salzburger Kloster z.B. erwarb er Wachsmedaillons aus dem 18. Jahrhundert, die wir über die Grenze schmuggelten. So ein schöner Karton, mit Seidenpapier, rosafarben. Ein zauberhaftes, altes Rosa. Ich untersuchte genau die antiken Kommodenschubladen zuhause und freute mich insgeheim, endlich das zu finden - und irgendwann, es war zu schrecklich, entglitt der Karton mir und fiel vom 2. Stock hinunter im Treppenhaus, wo ich immer das Geländer heruntergerutscht war. Trümmer. Ich habe es bis heute nicht erzählt. Im Schulranzen sorgsam versteckt, warf ich diese in eine unbekannte Tonne und damit vielleicht meine Kindheit.

Zerborsten war das Bild der Jungfrau Maria und das HerzallerliebsteJesulein. Katholisch war mir eindeutig lieber und ich durfte nicht zur Kommunion, sehnte mich nach weißen Kleidchen und Kränzchen und nach Mozarts Krönungsmesse.






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