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Wir werden alle Hacker

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Man nennt sie Amateure, Hobby-Bastler oder Hacker und verunglimpft ihre Produkte als unprofessionell. Doch allen Schmähungen zum Trotz erlebt die Kultur des Selbermachens einen Aufstieg, von dem jetzt auch Unternehmen wie Google profitieren wollen. Ein Lob aufs Selbermachen - gesungen in acht Strophen:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das Gesicht des Selbermachens: Sackboy aus Little Big Planet Selber machen ist . . . . . . nicht neu Man kann bis in die 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurückgehen, um den Ursprung dessen zu finden, was heute als Selbermach-Kultur auftaucht. Bereits im Jahr 1980 sprach der US-Zukunftsforscher Alvin Toffler von einem neuen Typus von Verbrauchern, vom "Prosumenten". Mit diesem Wort-Remix aus "Produzent" und "Konsument" fasste er eine neue Kultur des Selbermachens zusammen: Menschen konsumieren nicht mehr einfach nur, sie wollen selber aktiv werden, umgestalten, neu kombinieren. Sie wollen zu Hackern werden. . . . Hacking ohne Computer Hacker, so erklärt es Tim Pritlove vom Chaos Computer Club, müssen keinesfalls immer mit Computern arbeiten. Beim Hacken gehe es vielmehr darum, vorgegebene Lösungen nicht einfach zu akzeptieren, sondern nach neuen Wegen zu suchen - auf allen gesellschaftlichen Gebieten. Als Ur-Hacker beschreibt Pritlove dabei die Figur des Harry Tuttle aus dem 80er-Jahre Kultfilm Brazil . Darin verkörpert Robert de Niro einen Gas-Wasser-Installateur, der "wie ein Guerilla-Kämpfer" all die Probleme löst, die in dem totalitären Computerstaat Brazil von staatlicher Seite nicht gelöst werden können.


. . . jetzt cool Thomas Ramge und Holm Friebe haben der Kultur des Selbermachens und Umgestaltens ein ganzes Buch gewidmet. In Marke Eigenbau beschreiben sie, wie diese Kultur aus der Schmuddelecke herauskommt und "zu einem echten Distinktionsmerkmal wird - eine Eigenschaft, die lange Zeit nur industriell hergestellten und geschickt vermarkteten Lifestyle-Marken vorbehalten war." . . . auch für Konzerne interessant Der japanische Designer Nigo gestaltete das Turnschuh-Modell "Air Force 1" derart um, dass er das Unternehmenslogo mit seinem eigenen ersetzte. Er verkaufte die Schuhe in begrenzter Stückzahl, aber mit großem Erfolg unter dem Label "A Bathing Ape". Nike zog Schlüsse aus diesem Umbau der eigenen Schuhe und entwirft jetzt nicht nur selber Remixes seiner Sneakers, sondern lässt die Schuh-Käufer diese auch selber gestalten.
. . . überall verfügbar Die Kultur des Selbermachens ist in den USA mit der Website Etsy verbunden. Hier werden Produkte ge- und verkauft, die nicht industriell hergestellt wurden - mit wachsendem Erfolg. Die New York Times vergleicht die Plattform für Handgemachtes bereits mit dem Aufstieg von Ebay. Tatsächlich belegen Webseiten wie die deutsche Variante DaWanda, dass es einen Markt für Selbstgemachtes gibt. . . . die Zukunft des Computerspiels Phil Harrison, damals Chef der Sony Computer Entertainment, rief im Jahr 2007 das "Gaming 3.0" aus, eine neue Entwicklungsstufe des Computerspiels, die sich dadurch auszeichne, dass sie sich wieder auf den Konsumenten konzentriere. Seit Herbst 2008 kann man die Ergebnisse begutachten: Games wie Little Big Planet oder das Evolutionsspiel "Spore" stellen nicht nur den Spieler in den Mittelpunkt, sie machen ihn sogar zum Spiele-Entwickler, der eigene Levels und Figuren entwirft und diese anderen Spielern zur Verfügung stellt. Im Musikspiel Guitar Hero World Tour wird der Spieler sogar selber zum Komponisten - er spielt nicht mehr nur bekannte Songs nach, er komponiert selber welche; mit Hilfe seines Controllers.
. . . das nächste große Ding für Google Auch der Suchmaschinen- und Internet-Gigant Google schlägt mit seinem im Herbst vergangenen Jahres veröffentlichten Browser diesen Weg ein: Chrome ist genau wie die Mobiltelefon-Anwendung Android eine Open-Source-Anwendung; ein Programm also, das seine Nutzer zu Entwicklern macht. . . . in Zukunft alternativlos Das jedenfalls glaubt Holm Friebe ("Marke Eigenbau"), der die Kultur des Hackens und Remixens für selbstverständlich hält. Er prophezeit: "Die kommende Generation wird eine Generation von Hackern sein", die nicht mehr bereit sei, Gebrauchsanleitungen zu lesen und diese dann auch auf dem einen vorgeschriebenen Weg zu befolgen. Stattdessen werde man sich in Zukunft bei der Benutzung jeden Gerätes fragen: "Muss das so sein? Muss ich das so benutzen wie es ist oder kann ich da etwas hinzufügen, das für meine Zwecke anpassen?"

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