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Unerwarteter Rassismus

Text: laesperanzafavivere
Die Welt wächst jeden Tag zusammen. Die Metropolen dieser Welt gleichen sich immer mehr und Multikulti scheint gerade hier ein Erfolgsmodell zu sein. Ein bunter Mix aus Nationalitäten, Sprachen und Hautfarben prägen Stadtbild und Kultur.

Um so erschreckender sind für mich die kleinen unerwarteten Szenen von Rassismus, wie man ihn am wenigstens erwartet...



Meine Mitbewohnerin aus Argentinien arbeitet hier in Barcelona in einem schicken Schmuckgeschäft in einer der großen Einkaufsstraßen dieser Stadt. Mit ihr eine weitere Argentinierin. Ein zierliches, nettes schüchternes Mädchen - ausserdem mit einem geringen Hörschaden, der mir schon bei ihrem Besuch hier zu Hause aufgefallen war, da sie sehr leise sprach.



Eine ältere Dame betritt also das Geschäft und fragt die zierliche Verkäuferin nach etwas - auf Català. Dies ist hier die offizielle "Landessprache" neben dem Castellano, was hier jeder ebenfalls beherrscht.

Die kleine Verkäuferin, deren Muttersprache nicht das Català ist, versteht die Dame also nicht.



Normalerweisen wechseln die meisten Menschen hier dann die Sprache. Nicht so die ältere Dame. Sie beginnt sich aufzuregen, dass man in ihrem Land ihre Sprache nicht beherrsche und schimpft und wettert. Meine Mitbewohnerin, die des Català ein wenig mächstig ist, fragt ob sie weiterhelfen kann und die Dame regt sich bei ihr auf, wie unmöglich es wäre, dass hier kein Català gesprochen würde - wegen DIESEN aus Südamerika, nichtwissend, dass sie auch jetzt mit einer Südamerikanerin spricht. "Entschuldigen Sie", antwortet meine Mitbewohnerin auf Castellano, "auch ich bin Südamerikanerin - aber wie kann ich Ihnen den weiterhelfen..."

Da geht die Dame nun vollends auf die Barrikaden und verlangt das Reklamationsbuch.

Nun ist dieses gesetzlich vorgeschriebene Utensil leider im Laden nicht aufzufinden. Worauf die alte Dame beschliesst, die Polizei zu rufen. In der Zwischenzeit organisiert meine Mitbewohnerin im Nachbargeschäft ein Seite aus besagtem Reklamationsbuch, so dass als die Polizei eintrifft eine Seite bereitsteht, damit die rassistische Alte ihren rassistischen Ärger niederschreiben kann.



Nachdem die Dame und der Polizist das Geschäft verlassen haben, weinen beide Verkäuferinnen.



Und mir stellt sich mal wieder die Frage, in was für einer Welt wir leben, in der die Polizei gerufen wird, weil einer nicht die richtige Sprache spricht - zu Mal unter Franco das Català sprechen verfolgt wurde. Und wieder einmal sieht man, wie aus Geschichte nichts gelernt wurde. Schade.

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