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Der Stollen und seine Kumpels: Was mir im Advent gar nicht schmeckt

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Lebkuchen

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wie schön es wäre, jetzt eine Geschichte auftischen zu können, die weismacht, dass ich als Kindchen dachte, in Lebkuchen wäre Leber und deswegen: Iiiiiih. Ist aber nicht so. Ich finde diese Lebkuchenplatten einfach nur langweilig, viel zu viel Materie, gepaart mit ein bis zwei Zutaten, die mir brot-bittrig-schwül auf die Geschmacksknospen schlagen. Kardamon und Anis mögen in der Küche ihre kleinen Berechtigungen haben, aber an einem Couchtisch und in Form eines handflächengroßen, daumendicken Teigfladens mag ich sie nicht zermahlen müssen. Viele Lebkuchenfreunde ertragen Lebkuchen ja auch nur, wenn dick Schokolade drumherum ist, was ich aber für unaufrichtig halte. Ständig bekommt man Lebkuchen geschenkt, immer gleich in Kilopackungen, kein Wunder, diese Melasse kostet ja auch nur ein paar Euro pro Tonne. Immer dann, wenn sich sonst kein Fitzel Süßzeug mehr in der Wohnung finden lässt, reiße ich doch so eine Packung Dauerbrot für Tanten auf und immer ist es ganz und gar schlimme Reizverschleppung und Unbefriedigung meines Schokojiepers - mit einem Nachgeschmack bis Silvester. Bah! max-scharnigg


Maronen, heiß

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ich bin unromantisch. Wäre ich es nicht, würde ich bestimmt gerne Maroni essen. Dann würde ich im Winter dick eingepackt, Arm in Arm mit meinem Liebsten durch die Stadt schlendern, wir würden gelegentlich stehen bleiben und uns aus einer hübschen Retrotüte heiße Maronen klauben. Die würden wir umständlich aber sehr sorgfältig schälen, um uns dann gegenseitig mit der dampfenden Frucht zu füttern. Romantische Menschen machen so was. Im Fernsehen machen die das immer, und im echten Leben sicher auch. Ich mache das nicht. Ich kann das nicht. Wenn ich es könnte, würde ich bei dem Geruch von gerösteten Esskastanien nicht mehr an verbranntes Laub denken. Ich würde nicht in Depression verfallen, wenn ich die kahlen, grell mit Neonröhren ausgeleuchteten Buden sehe. Vielleicht würden mich (wenn ich sie den mögen würde), die geschälten Maronis auch nicht an Frettchenhirne erinnern. Und sie würden ein feines nussiges Aroma haben - und nicht nach pelzigen, vertrockneten Banane schmecken (mal ganz abgesehen vom blonden Kastanienflaum, der sich in Mantel, Handschuhe und Speiseröhre bohrt). Schlimmer als die Maronen selber, sind die Bilder, die in mir hochsteigen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich Kommunismus und Sibirien und diese traurigen Kinder aus grausamen Kinderbüchern, bei denen die Eltern gestorben sind und die so arm und allein sind dass sie sich barfuß auf den Weg in die weite Welt machen müssen. Die flöten dann selbstausgedachte Lieder auf Weihnachtsmärkten und bekommen dafür ab und an eine Handvoll Maroni geschenkt. "Eine Tüte Maronis?" „Bloß nicht!“ katharina-bitzl


Kokosmakronen

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Mit weihnachtlichem Überfressen hat meine Abneigung gegen die Kokosmakrone nichts zu tun. Der Ursprung liegt tiefer. Angefangen hatte alles bei meiner heiligen Erstkommunion. Ich debütierte im zarten Alter von neun Jahren als offizieller Katholik und schritt recht andächtig auf den Herrn Pfarrer zu, der mir mit spitzen Fingern den Leib Christi anvertraute. Nervös schob ich die Hostie in den Mund, gespannt auf das sich mir eröffnende Geschmackserlebnis. Trockener Papiergeschmack machte sich breit. Ich versuchte, das Ding zu zerbeißen. Der Leib klebte sich augenblicklich an meinem Gaumen fest, wo ich ihn während der übrigen Dauer der Zeremonie unauffällig mit der Zunge abzukratzen versuchte. Seitdem bekomme ich Würgereiz, wenn ich Hostien oder Backoblaten sehe. Da nutzt auch der weiße Kokosberg auf der Makrone nichts, denn Kokos mochte ich sowieso noch nie. Das war allerdings schon immer so. christiane-lutz


Datteln

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Datteln sind für mich das schwarze Schaf unter den süßen Seelentröstern auf der bald wieder beginnenden Betlehem-Rally von einer Weihnachtsfeier zur nächsten. Meist kommen sie mit Mandeln und Marzipan auffrisiert daher. Dabei sind sie von Haus aus schon verboten süß. Und der Verzehr-Komfort geht hart gegen Null. Man beißt hinein und hat den ganzen restlichen Tag etwas davon, da man das penetrante süße Zeug zwischen den Zähnen unfreiwillig spazieren trägt. Wären Datteln nicht ein gottgeschenktes Produkt der Natur, würde ich tippen, sie seien die neueste Lebensmittellabor-Kreation, die amerikanische Vorstadt-Mastbullen gänzlich der Zucker-Abhängigkeit zuführen soll. Deshalb sage ich mit vorweihnachtlicher Liebe in der Stimme: Nein, danke! thomas-steierer


Glühwein

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Meine Theorie ist, dass irgendwann im Jahr 1968 eine bekiffte, joschkafischrige Wohngemeinschaft in Göttingen auf die in der damaligen Rauschsituation adäquat scheinende Idee kam, die restliche im Regal vorhandene Weinplörre konsumierbar zu machen, indem sie sie erhitzten. Für jenen einen Abend muss das, so denke ich heute, eine Idee gewesen sein. Warum dieses Verhalten, das jedem Winzer die Traubenröte ins Gesicht treiben muss, seine weihnachtsmärktliche Verbreitung fand, ist mir ein größeres Rätsel als die etwaige Existenz von außerweltlichem Leben. Der Versuch, eine dampfende Glühweintasse zum Schluck an meinen Mund zu setzen scheitert stets, weil mir die Alkoholwolke kurzzeitig den Atem raubt. Hinzu kommt, dass meine Hände in einer schrägen Körperreaktion noch im gleichen Moment Schweiß absondern und fürchterlich zu kleben anfangen. Klebrige Hände treiben mir den Wahnsinn in den Kopf. Und von einem in irgendeiner Weise wärmenden Effekt auf meinen Peter-Körper kann ich leider auch nicht berichten und weiche also gleich auf Bier aus. Glühwein ist in meiner Überzeugung nur geworden was er ist, weil er kurzzeitig dampft und also an winterliche Schornsteine erinnert; weil er Alkohol birgt und also bedudelt. Ein rein auf Effekt angelegtes Getränk. Von Genuss kann keine Rede sein. Das wussten die Studenten meiner Vorstellung auch. Die waren eben 68er und schon hochzufrieden, wenn sie wieder was ganz anderes als die anderen machen konnten. peter-wagner


Stollen

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Habe ich nie verstanden, nicht mal ansatzweise. Was ist so feierlich daran, ein Stück trocken-brösligen Kuchens in unseriös dünne Scheiben zu schneiden und zu verteilen, als wäre es der Leib Christi persönlich? Ah, wenn ich nur an diese Puderzucker-Schicht denke, die sich direkt auf die Lunge legt und ein stückreiches Husten erzeugt. Diese grässlichen Versuche, das alles ein bisschen saftiger zu machen, indem man das schlimmste Duo seit Karies und Baktus hinzufügt, nämlich Zitronat und Orangeat. Waren das nicht Ersatzstoffe aus dem Krieg? Oder Rosinen, diese Trauben die vor der Weinherstellung desertierten und deswegen absolut unehrenhaft zu behandeln sind. Darauf herumzukauen und den Menschen zuzuhören, die Stollen für das Allerbeste überhaupt halten und überhaupt Weihnachten so arg dolle lieben, dass sie sich am liebsten mit Rauschgold die Zähne putzen würden, das macht mir die Vorweihnachtszeit schon einigermaßen unerträglich. Warum Brot für die Welt? Sollen sie doch den Stollen spenden. max-scharnigg

Text: jetzt-Redaktion - Illustrationen: Katharina Bitzl

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