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Nordwand

Text: emka















Tipp: Ab morgen im Kino „Nordwand“







Hinterstoisser, er war anders.

Es mochte sein, dass mit seinem Mitteilungsbedürfnis etwas

nicht in Ordnung war, als Ausgleich dafür hatte er sich aber

aufs Zuhören verlegt.





Er sprach nicht allzu viel, wenn die jungen Burschen aus

München oder dem Salzburgerland kamen und beieinander

hockten um zu ratschen. Aber er hörte sehr aufmerksam zu,

wenn sie sich hinter vorgehaltener Hand den Namen der Einen

Unvergleichlichen zuflüsterten.

Man konnte bei ihr nicht einfach mal so eben schnell nach dem

rechten schauen, sie war immerhin einige hundert Kilometer

weiter westlich beheimatet und doch hatten die Burschen nichts

anderes als sie im Kopf, ja sie gingen gar soweit, sie in ihrer

Vermessenheit als das "letzte Problem" zu bezeichnen. Dabei

war sie keine Schönheit, alles andere als kurvenreich, eher breit

als lieblich, und sie hatte so überhaupt nichts Graziles an sich.

Sie wirkte wie ein kantiger Klotz, abweisend und sehr spröde,

und man konnte fragen, wen man wollte, als erste bezeichnende

Eigenschaft antwortete ein jeder: Dunkel, vor allem eine dunkele

Erscheinung. Ja, sie war mehr als ungewöhnlich, und doch hatte

sie alles, was die jungen Männer so reizte.

Am meisten waren die Burschen von der riesigen konkaven

Wölbung in ihrer Mitte fasziniert; und es gab keinen, der nicht

schon des Nachts aus einem Traum erwacht wäre, in welchem

sie es ausgerechnet ihm vergönnte, seine rauen Hände in diese

Wölbung zu legen. Dabei wäre der Glückliche keinesfalls der

erste gewesen, der ihren Gipfelpunkt 3970m erkundete, denn

diesen hatten schon etliche andere vor vielen Jahren gefunden

und in Besitz genommen. Aber darauf kam es ihnen auch gar

nicht an. Hinterstoisser hörte ihnen sehr aufmerksam zu, dachte

daran, wie es um ihn stand und wie er sich vorbereiten müsste.







Hinterstoisser, er war anders.

So schaffte er es nicht einmal, die Auswahl seines Schuhwerks in

Einklang mit aktuellen Modeströmungen zu bringen. Er dachte

auch immer, er wäre immun gegen allerlei. Dabei bemerkte er

nicht, wie empfänglich jeder für seine eigene Lieblingssünde ist.







Ja, er hatte sie sich also in den Kopf gesetzt, diese Eine.

Er wusste auch, dass er gut war, einer der besten sogar, aber

genauso gut wusste er, dass er für sie nicht gut genug war.

Der andere Anderl, der Gärtner aus München vielleicht, aber er

nicht. Schlussendlich hatten sie ihn doch gekriegt, die braunen

Herren des Landes, die jetzt alles lenkten und bestimmten und

die die jungen Männer mit so schönen neu glänzenden Stiefeln

ausgestattet hatten, so trefflich dazu gemacht, die Sohlen auf

dem Pflaster alpenländischer Städtchen und Städte knallen zu

lassen. Ihn hatten sie aber nicht mit polierten Stiefeln gefangen,

sondern mit zwei Paar neuen Nagelschuhen, und am Ende war

er freiwillig und mit Begeisterung als Heeresbergführer in der

Kaserne gelandet, einfach weil es ihm die beste und einfachste

Möglichkeit schien, in die Berge abzuhauen. Immerhin hatte er

hier einen Freund gefunden, den schönen Toni. Dieser war vier

Jahre jünger als er, und somit als jüngerer Bruder geeignet, mit

dem man allerlei anstellen konnte, ja, der sogar sehr hilfreich

war, wenn es darum ging, sich in die Watzmann Ostwände

zu hängen.

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