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Der Tod des Uwe S.

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Uwe Stuckenbrock war 45 Jahre alt, als er starb. Der Stuttgarter litt seit Jahren an Multipler Sklerose, eine Krankheit, die zum Tode führen kann. Doch Uwe Stuckenbrock hätte noch Jahre am Leben bleiben können, wenn er die richtigen Medikamente bekommen hätte. Das zumindest behaupten sein Bruder und die Internetbewegung „Anonymous“.

Am 7. Oktober erreicht Markus Stuckenbrock ein Anruf seines Vaters, dass sein Bruder am Dienstag verstorben ist. Der Vater ist selbst Scientologe und arbeitet in der Niederlassung in Stuttgart. Wenige Tage später taucht im Blog von Anonymous Hamburg ein Eintrag mit einer Nachricht des Bruders auf mit der Überschrift: „Please help me to get more information about the suffering and death of my brother.“ In dem mit Markus unterschriebenen Text bittet der Autor um Hilfe bei der Aufklärung der Todesumstände. Der Blog-Eintrag löst in der Anonymous-Szene eine kleine Lawine aus. Uwe Stuckenbrock war Mitglied in der „Sea.Org“, der Elite-Organisation von Scientology. Später aber wurde er in ein RPF (Rehabilitation Project Force) versetzt. RPFs dienen als Art Straflager, in das Mitglieder nach Verstößen gegen die Richtlinien der Organisation - laut Scientology "freiwillig" - versetzt werden. Nach Informationen des Scientology-Aussteigers Bruce Hines kam Uwe Stuckenbrock 2001 (nach anderen Informationen bereits 1997) in die „Pacific Area Command Base (PAC Base)“ in Hollywood, California. Spätestens seit dem Jahr 2003 litt er an Multipler Sklerose. Was die Geschichte so brisant macht: Stuckenbrocks Tod wäre eventuell vermeidbar gewesen. Für Scientologen sind Medikamente überflüssig, wenn nicht sogar schädlich. Die Organisation betrachtet die Psychiatrie zum Beispiel als große Gefahr für die Menschheit und ist der Meinung, nahezu alle Krankheiten mit scientologischen Methoden lösen zu können. Vitamin-Präparate reichten demnach völlig aus, um schwere Krankheiten zu kurieren. Hinzu kommt, dass laut Scientology-Ideologie Mitglieder, die eine bestimmte Stufe in der Hierarchie erreicht haben, gegen Krankheiten sowieso immun sind. Nach Informationen von Ex-Scientology-Mitgliedern und Kritikern wie Chuck Beatty sind die Zustände in den RPFs verheerend. Die Kombination aus wenig Schlaf, viel Arbeit und permanenten Stress schwäche selbst körperlich vollkommen Gesunde. Im Fall von Uwe Stuckenbrock führte fehlende Medikation und ungesunden Lebensbedingungen zu einem vorzeitigen Tod. Die Pressesprecherin von Scientology Deutschland, Sabine Weber dagegen dementiert die Anschuldigungen der anonymen Kritiker: „Uwe Stuckenbrock hat eine intensive, medizinische Betreuung erhalten. Er war auch nicht am RPF. Im Übrigen finde ich es ziemlich pietätslos, wenn Kritiker wie Anonymous den Tod eines Menschen für ihre Zwecke benutzen.“ Die Internet-Bewegung „Anonymous“ kämpft seit Anfang 2008 gegen die Organisation. Damals versuchte Scientology, ein Video aus dem Netz zu entfernen, in dem Schauspieler Tom Cruise auf ziemlich verstörende Weise über die Organisation spricht. Daraufhin formierten sich die Kritiker erst recht – und erklärten mit einer Youtube-Botschaft „A Message to Scientology“ der Organisation den Krieg. Aus dem Internet wanderten die Proteste zurück auf die Straße. Mittlerweile demonstrieren Anonymous-Mitglieder jeden ersten Samstag im Monat vor Scientology-Zentralen – weltweit. Die meisten von ihnen Tragen Guy-Fawkes-Masken, in Anlehnung an den Helden des Films "Vendetta", der gegen ein totalitäres Regime kämpft.

Text: philipp-mattheis - Foto: Holly Pickett

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