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Zu Besuch bei den Boybands des Web

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Es ist super skalierbar", sagt Kay und tippt seine mit einem Klebeband reparierte Brille zurecht. "Ich kann mir nur schwer vorstellen, noch mal in eine normale Arbeit zurückzugehen", sagt Moritz und lehnt sich in einem Café in Berlin zurück. Die beiden haben miteinander studiert, sie sind miteinander ins Berufsleben gegangen, sie leisten sich gerade ein bißchen Gelassenheit: Kay Kühne und Moritz Hohl gründeten im Dezember 2007 panfu.de und haben seitdem, nach eigenen Angaben, 1,6 Millionen Nutzer auf ihre Seite gezogen. Vergangene Woche stellten die panfu-Geldgeber zusätzlich drei Millionen Euro zur Verfügung. Es ist von "Marktführerschaft" die Rede.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Kay ist 27 Jahre alt, Moritz ist 25 Jahre alt, sie zählen zu einer neuen Gründergeneration, die mit ihrer Umtriebigkeit das Internet in eine Art betriebsames Summen versetzen. Jede Woche schicken junge Menschen Mails in die Welt, die den Start einer neuen Internet-Unternehmung kundgeben, die sich die Tatsache zunutze macht, dass die Menschen des Jahres 2008 am besten im Internet zu erreichen sind: Auf spickmich.de werden Lehrer bewertet, auf kissnofrog.de kann man per Webcam flirten, amiando.de hilft beim Organisieren von Veranstaltungen und das ist nur eine Auswahl. Häufig handelt es sich bei den Gründern hinter diesen Websites um Jungs Mitte Zwanzig, die sich bisweilen wie Boybands des Web inszenieren - studentisch, entspannt. Im Studium lernen sie Soft Skills und Präsentationstechnik und sie sind mit einem Internet groß geworden, in dem nur Aufmerksamkeit erregt, wer sich lustig oder mindestens sehr kreativ präsentiert. panfu.de ist eine bunte Online-Welt für Kinder zwischen sechs und 14 Jahren. Die Kleinen bekommen dort eine Panda-Figur, mit der sie Spiele spielen oder andere Kinder kennenlernen können - mit der sie aber auch etwas Lernen sollen. Denn richtig glücklich sind die Mitarbeiter von panfu erst, wenn die Kinder sich von ihren Eltern das "Goldpaket" wünschen: Es kostet 39 Euro im halben Jahr und gewährt Zugang zu Lernspielen - E-Learning für Kinder ist gerade ein guter Markt. Das Web ist so sehr Teil der elterlichen Lebenswelt geworden, dass jetzt auch der Nachwuchs daran teil haben soll. Aber mit dem Finden der bislang unentdeckten Wünsche der Web-Nutzer ist es so ein Ding. Kay und Moritz dachten zum Ende ihres BWL-Studiums an der WHU, der Otto Beisheim School of Management in Vallendar, dass Deutschland eine Kopie von twitter.com brauche. Also gründeten sie frazr.de, in der Hoffnung, dass es Menschen reizvoll finden könnten, eine SMS an eine Website zu schreiben, auf dass Leser Online mitbekommen, was der Schreiber gerade erlebt. Nach vier Monaten fuhren die zehn Mitarbeiter die Computer runter. "Es gab weder einen Bedarf noch konnte man Geld verdienen", sagt Moritz. Das Geld für diese erste Gründung kam von Oliver Samwer. Er war einer der Macher der Klingeltonverkäufer von Jamba!, das für 273 Millionen US-Dollar an einen US-Konzern ging. Heute fördert Samwer junge Unternehmer, kauft sich in ihre Ideen ein in der Hoffnung, Rendite zu erzielen. Samwer war auch an der WHU. "Seit Oli in das Venture Capital-Business eingestiegen ist, geht es wieder los", sagt Kay und erzählt, dass es nur eine halbe Stunde brauchte, um Geld für frazr zu bekommen. "Wenn du eine Idee hattest, hieß es an der WHU: Sprich mit Oli", sagt Moritz. Venture bedeutet Wagnis und meistens gehen es nur Jungs ein. Warum? Kay ruft Victoria an, die mit anderen dein-design.com ins Leben rief und in Passau sagt Max Wittrock auf dieselbe Frage: "Gute Frage". Gründer mit dem Panzer Über mymuesli.de gibt es schon eine Legende und die geht so: Drei wackere Jura- und BWL-Studenten namens Max, 25, Hubertus und Philipp, beide 27, fuhren eines Tages zum Baden an den See und dachten an eine Website und eine Idee. Heraus kam vor einem Jahr mymuesli.de, wo sich Menschen heute aus 75 Zutaten ihr Wunschmüsli zusammen stellen. "Es gibt Tausende von Nischen, die wir bedienen", sagt Max. "Und trotzdem bedienen wir damit einen großen Markt - dieses Prinzip funktioniert nur im Internet." Er spricht von einem siebenstelligen Umsatz im ersten Geschäftsjahr und vom schieren "Muss" des Gründens. "Der Zeitpunkt ist ideal, unsere Lebenssituation ist ideal - wir haben keine Kinder, wir leben teilweise in WGs in Passau und zahlen 200 Euro Miete und fahren morgens gemeinsam mit dem Panzer hier heraus." Der Panzer ist ein in die Jahre gekommener Mercedes-Kombi mit gut 350 000 gefahrenen Kilometern in der Tacho-Anzeige. "Weil wir ein Team sind, kann jeder machen, was er gut kann." Max kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing, die anderen programmierten das Warenwirtschaftssystem und alle drei haben zu Beginn die Müslis von Hand gemischt. "Es ist ein super Gefühl in einem kleinen Team zu arbeiten." Aber warum immer Jungs? Max überlegt lange. "Wahrscheinlich fehlt es an den Vorbildern. Vielleicht musst du mal die Claudia von dawanda.de fragen." Die Erfolge von Gründern wie Oliver Samwer sind ein Ansporn: Schon häufig wurden gute Website-Ideen für viel Geld an Investoren verkauft - StudiVZ etwa wechselte angeblich für mindestens 50 Millionen Euro den Eigner. So träumen die einen Gründer vom "Exit", dem teuren Weiterkauf einer Idee, während die anderen Produkte anbieten, die super im Internet angeboten werden können. Aber auch wenn das Gründungsspiel leicht klingt, der Druck ist groß. Branchenkenner sagen, dass die Kapitalgeber keineswegs geduldig zusehen, was der Nachwuchs mit dem Geld anstellt. Deshalb sei auch die Gründung im Team verständlich: Gemeinsam lässt sich der Erfolgsdruck leichter ertragen, lässt sich ein etwaiger Misserfolg besser verdauen. Und außerdem lassen sich Kosten sparen. Die mymuesli-Jungs investieren 100 Stunden-Wochen, zahlen sich aber nur ein Monatsgehalt von 750 Euro. Ein Top-BWL-Absolvent, ein erfahrener Programmierer kostet das Vielfache. Und wenn die panfu-Gründer von der Skalierbarkeit einer Website sprechen, dann heißt das, dass bei einer sich verdoppelnden Nutzerzahl nicht gleich das Personal verdoppelt werden muss, das an dem Projekt arbeitet - ein kleines Team kann auch das Wachstum meistern. Bei Victoria Chirita, 25, in Berlin klingelt das Handy und Kay ist dran. Er stellt auf Laut und fragt: "Victoria, warum gründen immer nur Jungs miteinander?" Victoria macht mit ihren Mitgründern Kyan und Manuel dein-design.com und verkauft individuell bedruckte Folien, die Notebooks oder Handys schöner aussehen lassen. "Um ehrlich zu sein, kenne ich gerade mal ein Mädchen, das auch gegründet hat. Es ist sehr mau, was Frauen im Internetgeschäft angeht." Vielleicht, vermutet die gelernte Industriekauffrau, seien Frauen sicherheitsbedürftiger. Noch etwas genauer beschreibt es Claudia Helming, 34, von dawanda.de, das sie mit ihrem Kollegen Michael Pütz gegründet hat und wo handgemachtes von kreativen Menschen verkauft wird. Frauen, sagt sie, glauben häufig, sie müssten erst etwas können, ehe sie sich in die Gründung trauen dürften. "Außerdem: Das Internet und die Technik drumherum ist keine Frauendomäne. Vorbilder sind bei einer Gründung ein wichtiger Punkt - diese Gründungstradition ist bei den Frauen nicht vorhanden." Claudia würde nie alleine gründen wollen. "Man hat selbst nie alle Kompetenzen. Und selbst wenn man sie hätte, ist es gut, einen zu haben, der dagegen spricht. Mental gesehen ist das eine ganz andere Grundlage." Zudem glaubt sie, dass Frauen eher gründen, wenn sie sich mit einem Thema identifizieren können. "Frauen gründen Müttercommunities - und dawanda richtet sich auch eher an Frauen." Aber in dieser Haltung zum Gründen ist sie Kay nicht unähnlich. Er ist Vater von zwei Kindern, die auch bei panfu registriert sind. Im Grunde hat er die Seite für die beiden gemacht.

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