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Die andere Seite des Regenbogens - ein Gespräch über lesbisches Leben in München

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Vanessa und Eva, geht ihr auf den Christopher Street Day? Vanessa: Ja, ich gehe eigentlich jedes Jahr hin. Eva: Ich auch, aber ich halte dort keine Transparente hoch. Wie politisch ist der CSD heute noch? Vanessa: Auch wenn der Christopher Street Day ein bisschen zur Partyveranstaltung verkommt, der politische Gedanke steckt für mich immer noch dahinter. Und auch wenn ich gar nicht mehr soviel Spaß am CSD habe, finde ich es wichtig, dort Präsenz zu zeigen. Eva: Es ist wichtig, dass auch „normale“ Lesben wie wir da sind und nicht nur die Dykes on Bikes. Mit meiner Anwesenheit zeige ich, dass die Szene ganz vielfältig ist und nicht jede Lesbe das übliche Klischee bedient. Für die Zuschauer ist der CSD eine Show, aber das ist okay.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Woher kennt ihr euch? Eva: Wir haben uns über Freunde in einem Rockabilly-Klamottenladen namens „Hot Wires“ kennen gelernt. Rund um die Müllerstraße gibt es viele Bars für schwules Publikum. Warum sind Lesben im Stadtbild und im Nachtleben so wenig präsent? Vanessa: Ich denke, dass bei Schwulen die sexuellen Kontakte tatsächlich eine größere Rolle spielen. Die Bars in der Müllerstraße sind unter anderem da, um sich kennen zu lernen. Das Kontakteknüpfen ist unter Schwulen auf jeden Fall einfacher als unter Lesben. Eva: Es gibt bei LEO, dem schwul-lesbischen Stadtmagazin in München diese Rubriken „er sucht ihn“, „sie sucht sie“ und die Rubrik „Triebe“, wo es ausschließlich darum geht, jemanden fürs Bett zu finden. Das ist ja auch total in Ordnung, aber es sind eben nur Männer, die dort inserieren. Vanessa: Es ist ja nicht so, dass wir keinen Sex haben. Aber ich glaube, dass es viel weniger Lesben gibt, die abends ausgehen, um jemanden abzuschleppen. Eva: Die schwule Szene ist außerdem größer als die lesbische und teilt sich noch mal in ganz eigene Szenen auf. Die haben jeweils ihre eigenen Lokalitäten. Da gibt es die Teddybar für die „Bärchen“, die Ledertypen haben wieder ihre eigenen Bars. Für Lesben gibt es nur das Amazonas, die Parties in der Schrannenhalle und diese Öko-Abende im Tröpferlbad – das war’s dann auch schon. Und wo geht ihr beiden abends hin? Eva: Mein Problem ist, dass ich die Musik auf den Lesben-Parties nicht mag. Mir geht es weniger darum, mit Lesben zu feiern, sondern zu tanzen und zwar zu Musik, die mir gefällt. Vanessa: Ich gehe noch gerne in den Candy Club, aber auch eher wegen der Musik und nicht, weil das Publikum in erster Linie homosexuell ist. Da ist es besonders schön, dass neben Schwulen und Lesben auch immer einige Heteros anwesend sind. Das ist ein wichtiger Schritt Richtung Normalisierung. Ich finde es schade, wenn man sich nach außen hin abgrenzt und es nicht mehr möglich ist, dass du auf diesen Frauenfesten einen Freund mitbringst. Mir ist es mal passiert, dass ein Freund an der Tür noch beweisen musste, dass er schwul ist – wenn ich von anderen akzeptiert werden will, dann praktiziere ich das doch auch selbst! Aber wir sind vielleicht auch nicht ganz repräsentativ für die Szene. Schottet diese Szene sich denn wirklich nach außen ab? Eva: Gerade auf Lesben-Parties geht es schon auch darum, dass man unter sich sein will und kein Typ dabei ist, dem die Augen ausfallen und dem das Wasser aus dem Mund läuft. Aber ich definiere mich ja nicht nur über meine sexuellen Präferenzen. Ich geh’ nicht auf eine Party und sage: ’Hallo, ich bin Eva, ich bin lesbisch.’ Es muss ja nicht jede Lesbe in der Lesbenszene verkehren. In diesem Szeneding hab ich mich nie wohl gefühlt. Vanessa: Es wäre wünschenswert, wenn sich alles, egal ob hetero oder homo etwas mehr öffnen würde, nicht nur in der Club-Landschaft sondern auch im Alltag. Man muss als Lesbe auch nicht „Petrasilie“ statt „Petersilie“ oder „Anrufbeantworterin“ sagen. Auf der nächsten Seite der zweite Teil des Interview - mit Männer- und Frauenbildern und prominenten Outings.


Habt ihr das Gefühl, dass weibliche Homosexualität in der Gesellschaft angekommen ist? Vanessa: Das ist schwierig zu sagen. In meinem persönlichen Freundeskreis, zu dem sowohl Heteros als auch Schwule und Lesben zählen, ist das gar kein Thema. Da ist die sexuelle Orientierung vollkommen egal. Eva: Es ist zumindest schon mal ganz angenehm, dass einige bekannte Frauen sich geoutet habe. Anne Will ist da doch ein gutes Beispiel. Die bedient keines der üblichen Klischees. Werdet ihr im Alltag oft mit solchen Klischees konfrontiert? Eva: Deshalb wollte ich früher zum Beispiel selbst nie eine Lesbe sein. Ich hatte das Bild von der Kampflesbe im Hinterkopf; dass eine Lesbe eine Frau ist, die eigentlich keine Frau sein will. Aber je mehr Lesben ich kennengelernt habe, um so mehr hat sich mein Bild gewandelt. Vanessa: Bei mir treffen einige Klischees ja teilweise auch zu. Ich bin eher ein androgyner Typ, habe kurze Haare und Tätowierungen, damit sende ich Signale, die nicht unbedingt mädchentypisch sind. Deswegen bin ich schon aus der Damentoilette auf der Autobahnraststätte rausgeflogen. Aber das ist nicht weiter schlimm – niemand schreibt mir vor, so rumzulaufen wie ich rumlaufe. Ein Vorurteil lautet, dass bei einem lesbischen Pärchen immer eine der männlichere und eine die weiblichere in der Beziehung ist. Vanessa: „Du bist ja schon eher der Mann, oder?“ werde ich zum Beispiel oft gefragt. Eine wahnsinnig dumme Frage. Eva: Ebenso wenig gibt es bei Schwulen einen schwulen Mann und eine schwule Frau. Und bei Heteropärchen gibt’s genauso Frauen, die definitiv die Hosen anhat und den männlichen Part in der Beziehung übernehmen. Vanessa: Das Nachfragen ist nicht das Schlimme, sondern das Einteilen in Mann und Frau. Wenn mich jemand fragt: „Wer von euch ist beim Sex dominanter?“ ist mir das wesentlich lieber. Sind Schwule in der Gesellschaft akzeptierter als Lesben? Vanessa: Ich glaube schon, dass Schwule einen anderen Stand in der Gesellschaft und auch ein anderes Selbstverständnis haben. Es gibt eben diese Bilder von Schwulen – den schwulen besten Freund, den kreativen, lustigen Typ oder den verrückten Modeschöpfer. Diese Bilder sind positiv besetzt und mit ihnen kokettieren Schwule auch. Eva: Das sind aber auch blöde Stereotype. Es ist ja auch nicht jeder Schwule eine Tucke. Vanessa: Stimmt, aber über Lesben gibt es generell kaum positive Bilder. Gerade Lesben, die sich sehr „weiblich“ kleiden oder verhalten, fallen gar nicht auf. Erst wenn jemand dem negativen Bild der Hardcore-Lesbe entspricht oder sich besonders feministisch gibt, wird sie als Lesbe wahrgenommen Findet ihr es gut, wenn sich Prominente outen? Eva: Ich fand es super, als Anne Will sich geoutet hat. Vanessa: Bei ihrer Beziehung stellt keiner die Frage, wer die Frau ist und wer nicht. Die Leute registrieren das, vergessen es vielleicht wieder und interessieren sich aber weiter dafür, was sie tut. Lesben sind ja keine Randgruppe, sondern in jeder Gesellschaftsschicht und jedem Beruf vertreten.

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