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RapidShare - der unbekannte Web-Star

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Man kann sie für eine gewöhnliche Büro-Zeichnung halten. Man kann das weiße Blatt an der Holztür aber auch als Symbol für die Zurückhaltung nehmen, die man hier im schmucklosen Gewerbegebiet der Schweizer Stadt Cham pflegt. "Rapid Chair" haben die Mitarbeiter unter eine lachende Figur geschrieben, die auf einem Stuhl sitzt. Spricht man das etwas zu schnell, klingt es wie der Name der Firma, die nahezu unbeobachtet von deutschen Medien zu einer der größten Internetseiten der Welt geworden ist. Auf Platz 12 des Alexa-Rankings hat es der weltweit größte so genannte Sharehoster nicht mit schnellen Stühlen, sondern mit einem Angebot zum unkomplizierten Speichern von Dateien gebracht. "Wir haben auch nicht vor, unser Angebot in den Möbelmarkt auszudehnen", sagt Bobby Chang, Geschäftsführer von RapidShare. Der gebürtige Deutsche Chang steht neben der Zeichnung und schmunzelt. Einer seiner 25 Mitarbeiter erzählt, dass es tatsächlich Menschen gibt, die glauben, er arbeite für einen Möbelhersteller namens "Rapid Chair" wenn er sich am Telefon meldet.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Darüber können sie im Kanton Zug deshalb schmunzeln, weil RapidShare ein internationaler Star des Internets geworden ist - und das, ohne jemals Werbung geschaltet zu haben. 42 Millionen Menschen nutzen den so genannten One-Click-Hoster nach Angaben von RapidShare täglich. In Spitzenzeiten greifen bis zu eine Million Nutzer zeitgleich auf die Website zu, die sich in diesen Tagen ein neues Design gegeben hat. Trotzdem schütteln selbst die direkten Nachbarn in Cham nur ratlos den Kopf, wenn man sie nach dem globalen Unternehmen fragt, das im örtlichen Gewerbegebiet beheimatet ist. Virtuelle Schließfächer Vor dem Haus in der Gewerbestraße 6 in der 13 000 Einwohner zählenden Gemeinde weist ein kleines Schild auf das Büro im fünften Stock hin. Keine Fahne, die vor der Konzern-Zentrale im Wind weht, kein repräsentativer Empfang, lediglich eine schlichte Büroetage, deren Räume teilweise noch leer stehen oder einer Tischtennisplatte Platz bieten. Hier arbeiten die überwiegend jungen Mitarbeiter an einer der erfolgreichsten und zugleich umstrittensten Webseiten der Welt: RapidShare zählt zu den so genannten Sharehostern, die Speicherplatz im Netz anbieten. Quasi mit nur einer Mausbewegung kann man auch große Dateien speichern, anderen zur Verfügung stellen und anschließend selbst wieder löschen. Das Angebot - wegen der einfachen Benutzbarkeit auch One-Click-Hosting genannt - vergleicht Geschäftsführer Chang mit einem Schließfach, in dem man sehr große Dateien lagern kann. Den Schlüssel, eine Webadresse, die aus dem Namen der Datei und einer achtstelligen Ziffernfolge besteht, kann man für sich behalten oder Freunden weitergeben. "Den komplizierten Namen zu erraten", erläutert der Chef der virtuellen Schließfächer, "ist unmöglich. RapidShare kann man auch nicht durchsuchen. Der Uploader entscheidet also allein, wer seine Daten herunterladen kann. Dieses System ist wirklich sicher." Chang erzählt von Firmen, die ihre Buchhaltungsdaten bei RapidShare sichern oder von Fotografen, die sehr große Bilddateien dort speichern. Von kopierten Film- oder Musikdateien, die über seine Schließfächer verbreitet werden, spricht er aber nicht. Die einmalige Benutzung des Schließfachs ist bei RapidShare kostenlos. Wer hingegen regelmäßig Dateien lagern oder runterladen möchte, kann eine sogenannte Premium-Mitgliedschaft abschließen, die derzeit 6,99 Euro im Monat kostet. Über den so generierten monatlichen Umsatz ist von der RapidShare AG allerdings nichts zu erfahren - in der Branche wird über eine Summe von etwa fünf Millionen Euro spekuliert. Deutscher Webstar Erfunden wurde rapidshare.com von Christian Schmid, der auch heute noch die Seite rapidshare.de betreibt. Der junge Deutsche aus der Nähe von Freiburg suchte im Jahr 2001 nach einer Möglichkeit, Dateien zu transportieren, die zu groß waren, um sie einfach zu mailen (damals ging es um eine Größe von lediglich fünf Megabyte). Schmid gründete RapidShare quasi in seinem Wohnzimmer. Heute ist er an der Schweizer Aktiengesellschaft beteiligt, die große Serverfarmen betreibt, um dem Ansturm der Nutzer gerecht zu werden. In diesen Lagerhallen des Internet-Zeitalters in der Nähe von Frankfurt befinden sich die tatsächlichen Schließfächer, also Rechner mit einem Speicherplatz von insgesamt 4,5 Petabyte. Wer Bobby Chang nach dem Gründer und Erfinder Christian Schmid fragt, erfährt nicht viel. Der RapidShare-Geschäftsführer will nur verraten, dass Schmid noch immer sehr jung (Mitte 20) ist und weiterhin als Entwickler am Angebot von RapidShare mitarbeitet. Der Mann, der einer der wenigen Deutschen ist, die es in die vordersten Ränge des internationalen Internet-Geschäfts geschafft haben, hält sich im Hintergrund. Mit der Presse mag er nicht reden und in Internet-Foren gibt es lediglich Spekulationen über ihn. Dass Schmid, der heute mit seiner Freundin in der Schweiz wohnt, so zurückhaltend ist, hängt womöglich damit zusammen, dass seine Erfindung nicht nur Freunde hat. Um das Angebot, das zwei Dutzend junger Leute aus einer schlichten Büroetage einer Schweizer Kleinstadt betreiben, werden derzeit juristische Kämpfe ausgetragen. Es geht um die Art und Weise, wie sich kulturelle Produkte im Netz verbreiten, es geht um geistiges Eigentum und um das Urheberrecht in der digitalen Welt. Denn wer sich die Schließfächer von RapidShare anschaut, wird dort wohl Dateien finden, die urheberrechtlich geschützt sind. In Foren zum Beispiel, die oft juristisch schwer erreichbar aus China oder Russland betrieben werden, tauchen Links auf, die den Zugang zu Kinofilmen, TV-Serien und Musikalben öffnen. Es gibt Menschen, die das RapidShare-Angebot deshalb für krimineller halten als das Umfeld von Bahnhofsschließfächern. Björn Frommer, der als Partner der Münchner Medienkanzlei "Waldorf Rechtsanwälte" die Interessen der so genannten Rechteinhabern vertritt, kritisiert, dass RapidShare "aus der massenhaften Verletzung von Urheberrechten ein überaus rentables Geschäftsmodell kreiert hat. Dass hier kein Rechteinhaber tatenlos zusieht, versteht sich von selbst." Verlagen, Musikern oder Bildagenturen sind RapidShare und vergleichbare Anbieter ein Dorn im Auge, weil hier Urheberrechte verletzt werden. Doch anders als bei Tauschbörsen, bei denen sie niemanden für die Bereitstellung der Infrastruktur belangen können, hat RapidShare eine Post-Adresse. Dort sind im letzten Jahr Anwalts- und Gerichtsschreiben angekommen. Vor allem die Verwertungsgesellschaft Gema steht mit Changs Firma in einer juristischen Auseinandersetzung. Dabei geht es nicht nur um die Löschung urheberrechtlich geschützten Materials, sondern auch um Lizenzgebühren (siehe nebenstehendes Interview). Neues Urheberrecht Bobby Chang steht am Schreibtisch in seinem Büro und schließt seinen Laptop. Der 38-Jährige ist in Eile, er muss zum Flughafen. Ein Termin in Asien. Während er seinen Mantel vom Kleiderständer nimmt, spricht er von der Herausforderung, als die er die juristische Auseinandersetzung mit der Gema bezeichnet. "Wir wollen eine Lösung", sagt er, als er seinen Rechner in eine Tasche schiebt, "auch im Sinne der Branche." Er geht zur Bürotür und stellt fest: "Das Urheberrecht ist in seiner jetzigen Form nicht fürs Internet gemacht." Dann verlässt Bobby Chang den Raum. Auf dem Weg zum Aufzug passiert er die Tür mit der "Rapid Chair"-Zeichnung. Er beachtet sie nicht, aber eines ist klar: Lange wird das Papier dort nicht mehr hängen. Entweder wird RapidShare auch offline so bekannt, dass niemand mehr den Namen verwechseln wird. Oder Chang und seine Mitarbeiter verlieren den Kampf vor Gericht und müssen ihre Büros räumen.

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