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Alphamädchen: Eine Runde Feminismus für die Männer

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Feminismus wird oft als lustfeindlich verstanden, vor allem was die Lust der Männer und Männer ganz im Allgemeinen betrifft. Doch dabei handelt es sich um einen besonders schwerwiegenden Irrtum. Nun beschränkt sich das Verhältnis zu unseren Männern ja meistens nicht auf ein gelegentliches Andocken der Geschlechtsorgane – wir leben und lieben auch mit ihnen. Gleich vorneweg, mit Feminismus ist das erst einmal nicht unbedingt einfacher, aber sicher besser. Darauf deutet sogar eine Studie der US-amerikanischen Rutgers-Universität aus dem Herbst 2007 hin. Ein Psychologenteam fand heraus, dass sich Paare, bei denen sich die Frau als Feministin bezeichnete, als glücklicher und stabiler einstuften als diejenigen ohne feministischen Einfluss. Gerade aus dem ersten Jahrzehnt der Frauenbewegung liest man viele Geschichten von Ehen und Partnerschaften, die in die Brüche gingen, als der Feminismus ins Spiel kam. Entweder weil die Frau sich weigerte, ihre alte, finanziell abhängige Hausfrauenrolle weiter auszuüben, oder der Mann nicht mit ihrem neuen, aufgeklärten Bewusstsein klarkam. Oder weil sich herausstellte, dass die Beziehung eben nur auf Abhängigkeit und Unterdrückung beruhte. Oder weil die Frau auszog, um mit den anderen Emanzen zu spielen. Zumindest standen plötzlich haufenweise Männer ohne Frau da, und damit ohne Haushälterin, Köchin und Sexpartnerin. Das war natürlich traumatisierend und ist wahrscheinlich ein Grund, warum noch heute viele – auch junge – Männer erst mal misstrauisch bis verstört reagieren, wenn sie Feminismus wittern. Immer wieder begegnen wir Männern, die mit echter Gleichberechtigung nicht zurechtkommen. Sie fürchten »die Emanze«, sie pflegen altmodische Vorstellungen von Weiblichkeit. Sie lassen ihre Freundinnen im Freundeskreis eher nicht so gern zu Wort kommen und sich noch mit Ende zwanzig von ihrer Mutter die Wäsche waschen. Diese Männer haben nie gelernt, dass Frauen gleichwertige Menschen sind. Sie ertragen es nicht, erfolgreiche Frauen an ihrer Seite zu haben. Sie trennen sich von ihren Freundinnen, wenn die zu viel Stress mit ihren Klausuren und Projekten haben, und suchen sich ein unterambitioniertes, desinteressiertes Persönchen, das sie nach einem Jahr betrügen. Den eigenen Ehrgeiz und den ihrer Kumpels finden sie ganz normal. Bei einer Frau finden sie ihn »unweiblich«. Manche Frauen halten derartige Typen für besonders begehrenswert. Deswegen schlüpfen sie bereitwillig in die Rolle des harmlosen, anschmiegsamen Weibchens. Sie kultivieren keinerlei Interesse außer an ihrer Figur und Maniküre und warten auf den hochgewachsenen Großverdiener, der ihnen ein angenehmes kleines Leben bereitet. Viel Spaß dabei. So ein Leben mündet geradewegs in ein ständiges Wechselbad von Frust und Langeweile, versprochen. Nun bereitet uns dieser ganz besonders unsympathische Typ Mann weniger Schwierigkeiten, weil wir ihn in der Regel meiden. Aber selbst enorm aufgeklärte junge Männer kommen nicht immer problemlos damit zurecht, wenn sie feststellen, dass die tolle Frau an ihrer Seite den entsprechenden Stress hat, den ein interessantes Leben so mit sich bringt. Dann verwandelt sich die Bewunderung schon mal schnell in Vorhaltungen. Gerecht ist das nicht: Ein Mann, der vor lauter Arbeit sein Privatleben vernachlässigt, darf das sehr lange mit seinem Ehrgeiz rechtfertigen, bevor man ihn für einen Workaholic hält. Eine Frau, die sich so verhält, gilt schneller als karrierefixiert und irgendwie emotional verkümmert, als sie dazu kommt, ihre erste Gehaltserhöhung zu fordern. So kann das nicht weitergehen. In unserer Generation sind wir jungen Frauen in Schule, Studium und Beruf genauso zielstrebig und oft sogar erfolgreicher als unsere männlichen Altersgenossen. Wir sind so ehrgeizig wie die Jungs – das müssen sie anerkennen, auch und gerade, wenn sie mit uns zusammen sein wollen. Die Leistungsorientiertheit unserer Gesellschaft macht es den Menschen schon schwer genug, das Berufliche und das Private ausgewogen zu vereinen. Da sollten wir Frauen und Männer es uns nicht noch schwerer machen, sondern uns lieber gegenseitig unterstützen. Wir wollen nicht gegen unsere Männer kämpfen, im Gegenteil: Indem wir Feministinnen sind, kämpfen wir für sie mit. Und weil wir gemeinsam mutiger und stärker sind, müssen wir den Jungs in unserem Leben – Freunden, Brüdern, Partnern – klarmachen, dass wir sie dabeihaben wollen und warum Feminismus auch für sie gut ist. Männer vor! Eigentlich ist der moderne Mann bereits Feminist. Er weiß es nur nicht. Er ist für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit. Lautes chauvinistisches Gegröle und Schwanzvergleiche jenseits der Pubertät sind ihm suspekt. Er sieht nicht ein, was daran unmännlich sein soll, gern zu kochen oder sich für Mode zu interessieren. Er kümmert sich genauso selbstverständlich um seine Freundin, wenn sie krank ist, wie er sie unterstützt, wenn sie Bewerbungen schreiben muss. Und er will später mal genauso viel Zeit mit seinen Kindern verbringen wie deren Mutter. Dass Männer so sind und sein dürfen, liegt insbesondere an der feministischen Bewegung. Denn erst sie knackte die traditionellen Rollenbilder vom mächtigen, gefühlsarmen Ernährer und der von ihm abhängigen, frustrierten Hausfrau und Mutter und machte es möglich, dass aus Frau und Mann gleichgestellte Partner werden konnten. Der Feminismus hat also die Männer gleich mitbefreit. Allein schon deswegen sollten sie ihn lieben. Aber es wird noch besser: Eine Welt, in der alle feministischen Ziele verwirklicht sind, würde allen mehr Möglichkeiten bieten, ihr Leben zu gestalten. Wenn Frauen genauso viel verdienen wie Männer, ist es diesen auch möglich, weniger zu arbeiten. Und wenn Kinder da sind, können sie sogar problemlos bei ihnen zu Hause bleiben. Wenn Frauen sich nicht mehr permanent dem Schönheits- und Schlankheitswahn unterwerfen, haben sie mehr Spaß am Leben und Männer mehr Spaß mit ihnen – auch im Bett. Letztendlich sind wir gleichberechtigt alle freier. Das müssen wir unseren Männern erklären – und wir müssen darauf bestehen, dass sie es begreifen. In manchen Fällen kann das ziemlich viel Mühe kosten. Aber die sollten sie uns schon wert sein. Denn wie gesagt: Wir wollen sie nicht als unsere Gegner, sondern als unsere Verbündeten. Wir müssen ihre Aufmerksamkeit erregen für Ungerechtigkeiten, die sie übergehen würden, weil sie nicht von ihnen betroffen sind. Wir müssen ihnen abverlangen, dass sie ihr Verhalten in Alltag und Beruf ändern. Wir Frauen haben unsere individuellen Ansprüche schon verändert, doch die Strukturen – die Arbeitswelt, die Politik – haben sich nicht angepasst. Erst wenn geschlechterübergreifend alle mitziehen, wird sich wirklich etwas bewegen. Es klingt vielleicht trivial – aber wenn wir wollen, dass sich die Verhältnisse ändern, müssen wir bei uns selbst anfangen: in unseren Beziehungen, nicht nur, aber auch zu den Männern. So wie nach der feministischen Losung das Private politisch ist, muss das Politische aber auch privat stattfinden. Formal gesehen haben wir die Gleichberechtigung. Jetzt müssen wir die politischen Realitäten in unser persönliches Leben übersetzen. Sonst haben wir die Emanzipation am Ende nämlich doch noch verpulvert.

Der Text stammt aus dem Buch „Wir Alphamädchen. Warum Feminismus das Leben schöner macht“ von Meredith Haaf, Susanne Klingner und Barbara Streidl, das heute bei Hoffmann & Campe erscheint (ca. 250 Seiten, 17,95 Euro).

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