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Warum Köln jetzt zwei Literaturfeste hat - eines für "reiche" und eines für "arme" Schriftsteller

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Olaf Guercke (links) und Christian Bartel. Bild: slamaniac.de Warum gibt es die Little Cologne? Stimmt was nicht mit der lit.cologne? Christian Bartel: Während die lit.cologne wie ein wild gewordener Labrador durch die ganze Stadt ramentert, wird sich die Little Cologne unaufdringlich und unprätentiös zeigen. Wir sind gewissermaßen der Streichelzoo unter den Literaturveranstaltungen. Außerdem bin ich bei der lit.cologne nicht eingeladen. Wahrscheinlich ein Versehen. Katinka Buddenkotte: Als wir die Little Cologne im letzten Jahr ins Leben gerufen haben, lag das vor allem daran, dass wir von der vorjährigen lit.cologne enttäuscht waren. Die Veranstaltungen, die uns interessant erschienen, waren schnell ausverkauft, und wollte man sich in einer Woche wirklich mehrere Veranstaltungen ansehen, wäre das wirklich fast unerschwinglich geworden. Vielleicht ist das auch eine Sache des persönlichen Geschmacks. Ich bin auch kein Fan von "Rock am Ring". Olaf Guercke: Bei der Little Cologne geht es dieses Jahr um Geld haben und kein Geld haben. Die soziale Frage also. Ein Thema, das auf der lit.cologne zwar auch vorkommt, jedoch eher am Rande. Jede Menge guter Stoff, der darauf wartet, in möglichst feine Kunst umgefrickelt zu werden. Eine Veranstaltung der Little Cologne verheißt "einen heiteren Abend mit der Arbeitsagentur". Was verbirgt sich dahinter? Buddenkotte: In den letzten beiden Jahren haben ein paar meiner Freunde unter den Hartz-Reformen gelitten, das war alles andere als heiter. Aber wenn man einige Passagen aus den Schreiben mit der Arbeitsagentur mal aus dem Kontext nimmt, sind sie zumindest skurril. Guercke: Ich möchte ergänzend hinzufügen, dass sich die Arbeitsagentur seit der Einführung von Hartz IV zunehmend als Verursacherin guter Lesebühnen-Literatur verdient gemacht hat. Sie bestellt die Autoren ein, veranstaltet mit ihnen ihre entwürdigenden Spielchen und erzeugt damit einen Grimm, der sich in zum Teil prachtvollen Texten Bahn bricht. "Geld, ein besonderer Saft", heißt eine weitere Veranstaltung der Little Cologne. Wieso Saft? Bartel: "Geld, ein ganz besonderer Saft" ist ein Titel, der sehr schön nach einfältigem Servicejournalismus klingt. So hätte auch die „Apotheken-Umschau“ titeln können. Außerdem ist das Bild vollkommen schief. Das hat uns sehr gefallen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Katinka Buddenkotte Katinka Buddenkotte wird als "Deutschlands prekärste Poetin" angekündigt. Würdet ihr euch tatsächlich zu dem zählen, was in der vergangenen Debatte Prekariat genannt wurde? Buddenkotte: Nein, nachdem ich in den letzten zwei Jahren unfreiwillige Direktrecherche im Prekariat gemacht habe, zähle ich mich nicht dazu. Guercke: Als Inhaber eines zeitlich befristeten Arbeitsvertrages und Amateur-Autor befinde ich mich in einer einigermaßen komfortablen Lage, die jedoch sehr schnell prekär werden könnte. Die Kollegen, die den Mut haben, es mit der Profi-Schriftstellerei zu versuchen, haben es mit Sicherheit sehr viel schwerer als ich, ernten aber dafür mehr Ruhm. Bartel: Ich leide keinen existenziellen Mangel und mag den Begriff "Prekariat" ohnehin nicht, weil er zu ungenau ist. Gleichwohl macht sich bei mir an schlechten Tagen bisweilen auch mal ein Prekariatsgefühl breit. Aber das vergeht. Ich muss kein Fastfood essen, habe ausreichend Zugang zu Kulturgütern und fahre ans Meer, wann immer ich Lust dazu habe. Welchen Berufen geht ihr neben dem Schriftstellerdasein nach? Buddenkotte: Schön, dass du nicht fragst, ob wir davon leben können, sondern direkt davon ausgehst, dass wir das nicht tun. Bei mir ist es zu Glück mittlerweile so, dass ich mit dem "Dasein" völlig ausgelastet bin. Guercke: Ich bin Krankenpfleger und arbeite im Bereich Drogensubstitution. Das hält mich zwar oft vom Schreiben ab, bewahrt mich aber auch davor, mich als Autor auf dem freien Markt durchsetzen zu müssen. Bartel: Neben reinen Brotjobs, die reichlich unspektakulär sind, bin ich Mitherausgeber der Zeitschrift EXOT und gebe Seminare im Kreativen Schreiben. Es gibt da keine feste Grenze zwischen Lustbarkeit und Beruf. Das nervt zugegebenermaßen manchmal auch. Macht ihr euch manchmal Sorgen um eure Altersvorsorge? Buddenkotte: Ja. Guercke: Natürlich. Ich zum Beispiel habe gerade einen Riester-Rentenvertrag abgeschlossen und paar Tage später erfahren, dass die ca. 200 Euro im Monat, die dabei für mich als Rentner herausspringen würden, vom Staat wieder einkassiert würden, falls ich nicht über die sogenannte Grundsicherungsrente hinauskommen sollte. Bartel: Ich mache mir sogar öffentlich Sorgen, z.B. in meinem Text "Selbstbildnis des Künstlers als fieser alter Sack", den ich am Dienstag lesen werde. Autoren arbeiten oft in prekären Verhältnissen. Ist es ein politisches Problem, das nach einer Lösung verlangt, oder einfach eine Gegebenheit, die zum Autorendasein "dazugehört"? Buddenkotte: Weder noch. Berufswahl ist immer ein Risiko. Einziges zusätzliches Problem als freischaffender Künstler ist, dass Geld, Ruhm und Erfolg immer in so unberechenbarer Reihenfolge und nie zugleich auftreten. Aber da wüsste ich nicht, wie die Politik das noch richte sollte. Ich kann so leben, wie ich lebe, weil ich einen langen Atem, ein Problem mit Autoritäten und Büropartys sowie sehr geduldige Eltern habe. Dafür lebe ich in der ständigen Angst, jemand könnte mich in Interviews nach meiner Altersvorsorge fragen. Bartel: Das Problem unsicherer Arbeitsverhältnisse betrifft ja schon lange nicht mehr nur die Produzenten der guten alten "brotlosen Kunst". Insofern würde ich sagen, es ist ein gesellschaftliches Problem. Die Selbstständigkeit, in der man sich ja auch als Autor befindet, wurde von einigen als das Arbeitsmodell der Zukunft gefeiert. Glaubt ihr das auch? Buddenkotte: Wenn sie das Gegenmodel zu dem darstellt, wie sich bei Privatsendern junge Leute um eine Ausbildungsstelle als "Sandwich-Artist" im Subway balgen, dann unbedingt. Guercke: Mir macht das Prinzip des Wettbewerbs Angst, weil jeder Wettbewerb neben Gewinnern auch Verlierer produziert. Selbstständigkeit bedeutet ja auch Selbstvermarktung und ein ständiges Sich-Abstrampeln gegen den drohenden Untergang. Mich schreckt das eher ab, auch weil ich glaube, dass ich's wahrscheinlich nicht schaffen würde. Werdet ihr eine der lit.cologne-Veranstaltung dieses Jahr besuchen? Bartel: Zu Feridun Zaimoglu wäre ich gern gegangen, aber da kann ich ja nicht. Außerdem ist er ausverkauft. Buddenkotte: Nö, kein Geld. Guercke: Ich würde zum Simpsons-Symposium gehen, kann aber nicht, weil ich da eine Spätschicht habe. Die Little Cologne findet vom 2. bis zum 4. März im Raketenclub in Köln statt. Mehr dazu auf www.little-cologne.de.

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