Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben
Aus der ehemaligen jetzt-Community: Du liest einen Nutzertext aus unserem Archiv.

blutrote Sprengel

Text: Sandmoeve
Er zittert und sie beugt sich zu ihm herunter.



„ Kannst du schweigen?“, fragt er.

„ Ja.“

„ Ich kann nicht schwimmen.“



Sie lächelt.



Die Nacht war lang geworden und legte sich wie ein schwarzes Tuch auf das Zimmer. Sie erweckte das Gefühl als könnten sie sich einander nichts geben. Manchmal, so dachte sie, steigen wir beide durch tief schwarzes Dunkel eine Leiter empor, um von dort oben in den Abgrund der Hölle zu blicken. Dem heißen Luftstrom trotzend, der ihnen den Atem nimmt, und die Sinne verwirrt, schauen sie dann mit glühenden Wangen hinab, in das lodernde, brodelnde Feuermeer.

Sie wussten beide das es keinen sonst auf der Welt gab, der ihnen so nahe stand wie der andere, aber trotzdem nahmen sie sich nie an der Hand.

Doch wenn sie wie jetzt, einen Blick in sein Angstvolles, von Feuer beleuchtetes Gesicht warf, kam ihr unweigerlich der Gedanke, dass sich darin die einzige Wahrheit spiegelte.

Sie liebte seine drei kirschroten, blutigen Sprengel im linken Auge, welche immer kurz aufblitzten beim ersten Augenaufschlag nach einer langen Nacht.



Aber jetzt musste Sie gehen. Ohne seine Sprengel noch einmal blitzen zu sehn.



Wie sich am nächsten Abend der Tag zum Ende neigte tropfte die Zeit still und transparent dahin.

Der gleiche Weg, so dachte sie. Der weg unter meinen Füßen, die stillen Gebäude links und rechts. Alles schien verzehrt durch den heißen Schleier. Auch das Atmen viel ihr plötzlich schwer. Es schmerzte richtig. So sehr sie auch versuchte den kalten Wind in sich hinein zu saugen, es war als fände nur noch ein dünner Luftstrom den Weg in ihre Lunge. Etwas wie ein Stachel tief in ihrem Auge, tief im Inneren, war dem eisigen Wind ausgesetzt, und wurde zusehends kälter. Telefonmasten, Straßenlaternen, parkende Autos, der schwarze Himmel. Dinge die sie plötzlich nur noch ganz verschwommen wahrnahm, und doch täglich sah. Undeutlich. Doch unzweifelhaft schön, schimmerten sie wie aus Nebelschwarten hervor. Um dann überraschend ganz vor ihr aufzutauchen. Sie spürte wie sie Kraft verlor und es ihr immer schwerer fiel, die ihrem Körper entweichende Energie zurückzuhalten.

Sie entschwand mit einem zischen in der Dunkelheit.



Eine orangefarben angehauchte, riesige dunkle Wolke begann im Westen den Himmel auszufüllen. Bald würde die kalte Nacht hernieder steigen, und sich in das innere ihres Herzens legen.



Bei ihm angekommen.

Der Klang seiner Stimme erfüllte die nächtliche Stille des Zimmers.

Aber auch das Zimmer war ratlos.

Die Frage stand einfach im Raum



„Schlägt man die Zeit tot,



bevor man von ihr totgeschlagen wird?“



Er wollte das sie bleibt.

„Ich kann nicht.“

„Du musst. Was hält dich. Es gibt immer tausend Gründe etwas nicht zu tun, aber eben auch immer den einen es doch zu wagen“



Sie schwieg, dann flüsterte es in ihr zu ihm:



„Vielleicht nicht heute, morgen, nicht in einem Monat oder Jahren, aber irgendwann. Ich würde anfangen zu weinen, so sehr das es kein Ende gibt. Du könntest nichts machen. Nichts sagen. Ich auch nicht. Ich würde weinen und weinen und weinen und weinen. Und irgendwann wäre der Boden und das Zimmer und alles unter Wasser und wir würden beide in meinen Tränen ertrinken.“



Sie stand auf und blickte noch einmal, vielleicht das letzte mal zu seinen Sprengeln. Sie verwarf den Gedanken sein Auge zu küssen, denn es würde nichts mehr ändern. Dann war sie weg.



„.... ich lernen schwimmen, versprochen,



und dann rette ich uns.“

Mehr lesen — Aktuelles aus der jetzt-Redaktion: