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SoKo - Fräuleinwunder oder die Liebe in Zeiten von Web 2.0

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I don't have a record, i'm working on it though, but it takes some time. So for now, this is all virtual... Enjoy anyway ! (SoKo auf ihrer myspace-Seite)

Man wird sich daran gewöhnen müssen, dass Popbegeisterung immer öfter mit einem Link anfängt - geschickt von einem Freund, gefunden in einem kleinen Blog oder aus Langeweile beim Zappen durch YouTube. Das ist gar nicht so schlecht, denn beim Wühlen im Netz ist es wie beim Wühlen in Winterschlussverkaufzeug – wenn man mal was Schönes rausgefischt hat, strahlt es gleich doppelt so hell, umgeben von all dem Unsinn und Mittelmaß und ist: ein Schatz. SoKo ist genau das. Sie im Netz aufzustöbern, bedeutet sogleich, von ihr eingenommen zu sein und bereit zu sein, sie gegen den Rest der windigen Web-Welt zu verteidigen. Warum? Nun, gäbe es auch beim Gehör ein Kindchenschema, SoKo würde es perfekt erfüllen. Ein bisschen gezupfte Ukulele, dazu eine Mädchenstimme wie aus dem Süßigkeitenladen, die in französischem Englisch kiekst und ziemlich deftige Mädchen-Geschichten erzählt. So verliebt man sich heute in eine aus Paris - via Kopfhörer und Bildschirm. Mit stark angetouchtem Herz bleibt einem dann nichts als weitersurfen, zu YouTube und dort das verheißungsvolle, kleine Folk-Mädchen in Bewegung zu sehen, kieksend weiterhin und auch sonst: niedlich, LoFi, cool. Wenn nicht eine Zahl jenseits der 500.000 vor dem Wörtchen „Views“ stehen würde, wie gerne würde man der Illusion aufsitzen, dass man da gerade ein Wundermädchen entdeckt hat, das vielleicht der neue Conor Oberst oder die Tochter von Adam Green wird. Aber es ist natürlich schon immer jemand, Tausende, vor einem da gewesen.

Es dämmert einem - in Frankreich ist das vermutlich gar nicht mehr "dernier cri", schon längst wieder durchgevespert. Und es verwirrt - Videos in denen fremde Mädchen SoKo-Songs schon wieder covern, auch niedlich, aber nicht so, oder doch? Hä? Man rennt also hinterher, hinter SoKo, einem Webhype, ein paar Liedchen, einem Mädchen mit Gitarre im Hintergrund. Auftritte, das lernt man jetzt im mittlerweile vierten geöffneten Tab, Auftritte gab es auch schon, sogar in Malmö und letzten Freitag erst in Berlin, verdammt. Ja, es gibt sogar schon Zuschauer, die nicht begeistert waren, sondern in Kommentaren schreiben „She really can’t sing“.

Das stimmt, wenn man es, schon weniger verklärt, betrachtet. Aber das macht nichts, denn es ist gute französische Chanson-Tradition, dass man nicht unbedingt die Oktavsprünge beherrschen muss, um anrührende Lieder zu singen. Solche zu denen der Pastis noch besser schmeckt und in denen sich Glamour und Sex transportieren. Letzterer wird bei SoKo recht häufig thematisiert, was die Hype-Prognose für dieses Mädchen nicht gerade abschwächt. Eine Plattenfirma steht ihr, das findet sich als letztes, natürlich auch schon im Rücken und ein strenges Mangement. Hat sich also was, mit der luftleichten Web-Existenz. In wenigen Monaten wird ein richtiges Album von SoKo vorliegen und ihre Lieder über Babykatzen und blöde Mädchenrivalinnen werden dann in einer zweiten, nicht-virtuellen Welle noch mal für Entzücken sorgen. Alle, die sich schon im Oktober in sie verguckt haben, werden dann rufen: In die habe ich mich aber schon viel früher verguckt! Und gekränkt weitersurfen, nach neuen tollen Fräulein, die irgendwo geheim verlinkt sind.

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