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Und dann ist Sex. Sechs typische Situationen, bei denen am Ende alle nackt sind.

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Der Werbepausen-Sex Wie kommt’s dazu? Klar, James Bond hatte noch nie Werbepausen-Sex, aber James Bond hat auch keinen Alltag in einer festen Beziehung. In der gibt es, auch wenn das keiner gerne hört, Abende, an denen der Fernseher mehr spricht als die beiden Liebenden. Und das ist auch ganz gut, das ist die abgeklärte Ruhe einer großen Liebe. In diesem Sinne funktioniert auch der Werbepausen-Sex, bei dem einer anfängt am anderen rumzuzupfen, während der andere doch noch hören möchte, was Al Pacino zu sagen hat, kurz bevor die Werbung eingongt. Nach diesem Signal ist fein zum anderen umdrehen und solide beischlafen. Ein wenig ist es, also ob einem der Fernseher Zeit gegeben hätte und sagt: Macht jetzt mal, ich send’ derweil nur Schrott. Nicht gerade romantisch, aber für zwei müde & gestresste Leiber bisweilen genau das Richtige. Kein Verführen, kein Vorspiel-Marathon, eher: Workout mit Herz. Danach: Fast so gut wie die Zigarette danach ist es, einfach liegen zu bleiben und sich wieder vom Film berieseln lassen. Niemand muss romantisch giggeln, keiner übt Manöverkritik, alle dürfen erschöpft gucken. Problem: Sensible Naturen fühlen sich vielleicht von der Frischkäse-Werbung im Hintergrund beim Ausüben zärtlicher Skills gestört. Andere mögen heimlich denken: „Oh Gott, Sex in der Werbepause, soweit ist es schon gekommen.“ Für beide gilt: Unsinn. Wer allerdings denkt: „Oh nein, shit, gleich geht der Film weiter!“ - der sollte mit sich ins Gericht gehen.


Der „Vom Strand ins Hotelzimmer kommen“-Sex Wie kommt’s dazu? Bei Urlaub am Meer bleibt man ja morgens nicht kuschellang im Hotelbett liegen, sondern tappst aus der Decke in die Flipflops und damit möglichst ohne große Umwege an den Strand. Morgenwäsche im Atlantik und dann Sonnencreme drüber – das reicht eine Woche als Styling. Sex ist dabei erstmal nicht auf dem Programm - die Hitze, der Sand, die klebrigen Finger von der Wassermelone, die ganze nackte Teutonenhaut, die einen umgibt, turnen nicht unbedingt an. Wenn man sich nachmittags allerdings zur Siesta ins kühle Hotelzimmer zurückzieht, dort die feuchten Badesachen von der verschrumpelten Haut fummelt und sich gegenseitig zeigt, wie braun man an diversen Körperstellen geworden ist, riecht es nicht nur nach Salz, sondern auch gleich ziemlich stark nach Sex. Danach: Duschen und einen der erquickendsten Nachmittagsschläfe überhaupt einlegen. Wenn man später aufwacht, ausgetrocknet und warm, ist es draußen immer noch hell, die Badetücher schwingen sanft im Abendwind auf dem Balkon und man weiß: Urlaub! Und: Hunger! Problem: Möglicherweise pennt man auch schon vorher ein und wacht dann in einer klammfeuchten Badehose auf, die sämtlichen Genitalien eine Erkältung beschert hat.


Der „Gerade wollte ich dich noch an die Wand klatschen“-Sex Wie kommt’s dazu? Streit. Dumme Worte und Türen fliegen, dann Schmollpause und Versöhnversuch. Nummer eins scheitert nach hoffnungsvollen Anfängen an der Stelle, an der beide rekonstruieren, wie es dazu kam – und wieder von vorne anfangen. Also noch mal: Streit, Drohungen und Retourkutschen fliegen, längere Schmollpause. Versöhnversuch Nummer zwei, mit weit weniger Elan betrieben, droht wieder zu scheitern - würde nicht einer der Liebenden in Ermangelung anderer Ideen zu küssen anfangen. Nach einer physikalischen Gesetzmäßigkeit wandelt sich die Streitenergie in diesem Fall sofort in erotische Energie um, was dann nicht nur zu toll orgiastischen Ausschreitungen führt, sondern gelegentlich auch noch frivole Neuerungen einbringt, a la:„Dann schlag mich doch! Bitte!“ Danach: Meistens vollkommene Orgasmus-Amnesie, was den Streit anbelangt. Aufräumen der Wohnung. Problem: Tritt die Amnesie nicht ein, kann es in seltenen Fällen dazu kommen, dass der Streit postkoital fortgesetzt wird - mit ungutem Realismus und endgültiger Klarsicht.


Der „Oha-veränderte-Umgebung“-Sex Wie kommt’s dazu: Relativ bald ist in einer Beziehung festzustellen, dass sich der Sex in der eigenen oder den beiden eigenen Wohnungen an den immer gleichen Orten abspielt. Das macht gar nichts, wären da nicht allüberall Berichte von Menschen, die es im Flugzeug, auf der Golden Gate Bridge, im Wald oder sonst wo treiben. Sollen sie, denkt man und schert sich nicht weiter drum, bis man eben mit seinem Augensternchen eines Tages in einem Schlafsack steckt, der in einem Zelt liegt, das im Vorgarten desjenigen Großvaters aufgeschlagen ist, der gerade Goldene Hochzeit gefeiert hat. Und da macht man es dann, weil es eben doch auch ein bisschen aufregend ist. Oder im Zimmer des Mitbewohners, der ein halbes Jahr in Australien ist und auf dessen Sofa man ganz zufällig gelandet ist. Oder im Notlager auf der Alpenvereinshütte. Der Sex ist in all diesen Fällen eher pro-forma, was zählt ist die Tat und nicht so unbedingt deren Qualität. Danach: Ist man meist erschrocken über sich selbst und die tröpfelnden Erkenntnisse. Musste dass jetzt sein? Stehen alle anderen um das Zelt rum und lachen? Ist der ganze Schlafsack jetzt versaut? Oder: Wow, ist diese Wäschekammer hässlich. Problem: Alle stehen tatsächlich um das Zelt rum und lachen. Oder, noch härter, man steht mit seinem Wunsch nach aufregender Toperotik alleine da und der Partner sagt: „Jetzt und hier? Spinnst du? Denkst du auch noch mal an was anderes?“


Der „Community-nachhalbeinUhr-Nacht“-Sex Wie kommt’s dazu? Das ist natürlich kein richtiger Sex, sondern nur die Syntax dafür. Die Situation ergibt sich, wenn die Online-Flirts, die man aus Langeweile begonnen hat und die sich stets zwischen „Was machst du heute?“- und „Immer noch sauer wegen deinem Ex?“- Botschaften bewegten, plötzlich einen Intimitätsboost erhalten. Dazu reicht es schon, dass sich die beiden Beteiligten außerhalb der gewohnten „Schreibzeiten“ im Netz ertappen oder in einer anderen Comunity zufällig treffen. Wenn es dann auch noch späte Nacht ist, wird klar, dass beide einigermaßen einsam vor dem Computer hocken – und man sich gegenseitig wärmende Gesellschaft leisten möchte. Dann braucht nur noch einer „Hab mir heute Unterwäsche gekauft!“, und der andere „Echt? Zeig mal, lol!“ zu schreiben und schon haben die Botschaften rote Öhrchen und fliegen die ganze Nacht. Danach: Oberpeinlich und so. Habe ich wirklich mit „sternenmaus82“ über meine erotischen Wünsche gebotschaftet? Habe ich wirklich den Patrick-Lindner-Satz: „Ich wünschte, du könntest jetzt hier sein!“ getippelt? Problem: Erstens geht man trotzdem einsam und ernüchtert ins Bett. Und zweitens weiß „sternenmaus82“ jetzt alles und schreibt fortan Botschaften wie: „Hui, war ja ganz schön dolle neulich Nacht ;-))“


Der „Ich komme dich in vier Wochen besuchen“-Sex Wie kommt’s dazu? Klassische Situation in Fernbeziehungen: Der Flug nach London zu „ihm“ ist seit Wochen gebucht, seit Wochen ist damit auch klar, wann Sex ist, nämlich ziemlich genau zwei Stunden nach der Landung. Beide wissen das. Beide gehen davon aus, dass der Partner ausgehungert ist und dass eine Verweigerung dieser Körperbegrüßung die gesamte Fernbeziehung erzittern lassen würde. Also geschieht es in einer Pflichtschuldigkeit, als würde das Finanzamt dabei zu sehen. Ist nie richtig guter Sex, aber besser als Händeschütteln schon. Das Gleiche spielt sich vor dem Abschiednehmen noch mal ab, dann aber besser, weil irgendwie trainierter. Danach: Liegen und auf die fremden Geräusche hören (des anderen und der anderen Stadt). Überlegen, wie fremd man sich geworden ist. Tasche auspacken. Sachen fragen, die man sich schon am Flughafen gedacht hat, aber nicht getraut hat, zu fragen, also etwa: „Sind das eigentlich Strähnchen?“ Problem: Das „Fremdeln“, dieser Mix aus Scham, Freude und kleiner Fremdheit, der einen am Anfang kaum den anderen anschauen lässt. Außerdem: Flugzeug riecht man und ICE auch.

Text: fabian-fuchs - Illustrationen: Katharina Bitzl

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