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Der Autor Benjamin Prüfer: Das Privatleben in der Öffentlichkeit

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Was bringt einen Menschen dazu, ein Buch über sein Privatestes zu schreiben? Der erste Schritt an die Öffentlichkeit war eigentlich die Veröffentlichung für „Neon“, wo erstmals über meine Beziehung zu Sreykeo berichtet wurde. Das Buch selbst hat mich dann gar nicht mehr so viel Überwindung gekostet. Die Veröffentlichungen haben uns, mir und Sreykeo, das Leben aber viel einfacher gemacht. Man ist mit vielen Vorurteilen konfrontiert, wenn man mit einer asiatischen Frau zusammen ist. Man gerät leicht in ein Täter-Opfer-Schema. Der deutsche Mann ist der Täter, die asiatische Frau das Opfer. Das Buch gab mir die Möglichkeit, viele Dinge zu erklären und die ganze Geschichte zu erzählen. Es gab natürlich auch finanzielle Gründe. Und außerdem hat es uns auch das Zusammenleben mit den Menschen unserer Umgebung erleichtert. Auf einmal war mehr Verständnis da. Die Reaktionen aus meinem Bekanntenkreis auf die Veröffentlichungen waren eigentlich durchgängig positiv.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Benjamin und Sreykeo heirateten in Kambodscha traditionell. Bild: Nick Nostitz/ Agentur Focus Und bevor du mit deiner Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen bist, hast du in deiner Umwelt eher Befremden ausgelöst? Ja, das ist ja auch eine normale Reaktion. Meine Freunde und meine Familie hatten sich schon gewundert und sich gefragt, warum ich das wohl tue. Sie kannten Sreykeo auch nicht. Sie kannten nur ihren Namen, wussten, dass es mir wegen ihr schlecht ging und dass es viele Probleme gab. Zu diesem Zeitpunkt lebte sie noch in Phnom Penh und ich in Deutschland. Aber ist es nicht ein seltsames Gefühl, zu wissen, dass Millionen von Leuten in Deutschland jetzt deine Geschichte kennen? Nein, denn meine Geschichte – unsere Geschichte - ist ja in so einer Art kanalisierter Form. Wir können selbst bestimmen, was wir erzählen wollen und was nicht. Wirklich ungewöhnlich ist, dass Leute, die das Buch gelesen haben, auf mich zukommen und mich in einem ganz vertrauten Ton ansprechen und mich duzen: „Hey, Benjamin! Na, wie geht’s, wie geht’s Sreykeo?“ In deinem Buch machst du ziemlich deutlich, dass du keinen Weltverbesserungsdrang hast und eigentlich auch nicht das bist, was man sich unter einem Gutmenschen vorstellt. Möchtest du dich jetzt trotzdem weiterhin der Thematik deines Buches widmen oder wieder als Journalist arbeiten? Ich möchte jetzt nicht von einer Aids-Gala zur anderen springen. Auch deshalb nicht, weil ich nicht möchte, dass man dankt, ich sei mit Sreykeo zusammen, weil ich ein Zeichen gegen die Diskriminierung von HIV-Infizierten setzen möchte. Ich bin mit Sreykeo zusammen, weil ich mit Sreykeo zusammen leben möchte. Deshalb halte ich mich ein bisschen auf Distanz zu den NGOs. Naja, ich bin aber auch nicht so bekannt, als dass ich auf jeder Aids-Gala hingestellt werden müsste. Was mir aber wirklich wichtig ist, ist diesen HIV-Mythos aufzuklären. Teile der Aids-Aktivisten sind immer sehr bemüht, die Behauptungen aufrechtzuerhalten, dass die Krankheit unweigerlich zum Tod führe und eine schreckliche Bedrohung für alle sei. Das geschieht natürlich in einer guten Absicht, aber für uns ist es ein echtes Problem. Sreykeo ist sozusagen von einem Nimbus des Todes umgeben... Ich würde mir wünschen, dass diese Diskussion sachlicher geführt werden würde. Wir werden immer in diese Opfer-Rolle reingeschoben, und immer wird uns unterstellt, dass jemand, der HIV hat, ein furchtbares Leben führt. Das macht unser Leben eher schwierig. Niemand will mit einem Opfer befreundet sein, niemand will einem Opfer einen Job oder einen Mietvertrag geben. Das ist auch der einzige Idealismus, den ich habe.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Sreykeo und Benjamin in Phnom Penh. Bild: Die Fernsehagentur Du lieferst du ein sehr umfassendes, tief gehendes Bild der Beziehung zwischen Sreykeo und Dir. Ich finde, man muss ehrlich sein, wenn man so ein Buch schreibt. Es hätte nicht funktioniert, wenn ich irgendwelche Dinge verschönt oder verkitscht hätte. Und diese Ehrlichkeit schützt mich ja auch. Ich bin im Buch hart zu mir selbst und ehrlich; also kann kein Anderer mehr mir Fehler vorwerfen, die ich selbst schon aufgezeigt habe. Außerdem honorieren es die Leser natürlich, wenn man ehrlich ist. Sogar meine Mutter kannte dich schon aus diversen TV-Talkshows. Ist es ein Problem, plötzlich in der Öffentlichkeit zu stehen? Oder meinst du, die mediale Aufmerksamkeit wird sich in ein paar Monaten wieder legen? Die ganze Situation ist schon ungewöhnlich. Ich habe im Alltag keine Probleme; ich werde nur ganz selten im Supermarkt angesprochen (lacht). Aber ich bekomme jetzt öfters E-Mails, meist von Leuten, die eine Beziehung zu meinem Buch haben, zum Beispiel weil sie Partner aus Thailand oder Kambodscha haben. Trotzdem ist es natürlich eine neue Rolle, mit der umzugehen ich erst lernen muss. Ich würde das nicht als problematisch bezeichnen, eher als neu und ungewohnt. Naja, ich bin wirklich kein Mensch, der das Bedürfnis hat, in der Öffentlichkeit zu stehen (lacht). Ich bin keiner, der sagt: "Hallo alle! Alle mal hergucken!" Mein Umfeld, Freunde und Arbeitskollegen, erwarten immer, dass ich mich jetzt irgendwie verändern müsste.... Passiert aber nicht? Ach nö. Weißt du, wenn man aus so einer Talkshow rausmarschiert, ist man nicht sofort ein anderer Mensch. Bild: Jörg Steinmetz

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