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Jungs fragen Mädchen: Wie lasst ihr Dampf ab?

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Die Jungsfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Zu oft erblicke ich eines lieblichen Mädchens Mimik und sehe, wie aus ihren Augen eine mühsam beherrschte Aggressivität schwappt, ihre Mundwinkel verkrampfen sich und spannen ihre Lippen straff über das vor unterdrückter Wut schon hellrosa verfärbte Gesicht. Ich frage mich dann immer: Was nervt dieses Mädchen so? Und noch wichtiger, weil pragmatischer: Warum haut sie nicht mit der flachen Hand so lange gegen die Wand, bis die Angst um die Kaution und stechende Schmerzen den bösen Bock nach hinten gedrängelt haben? Oder ich nutze eher das verbale Ventil: den erstbesten Mitbewohner lautstark zum Otto machen (kommt besonders gut, wenn er sich sowieso schon über den Wandschlaglärm aufregt). Als Junge hat man es da denkbar einfach: Ärgert einen etwas, darf man das Gesicht hässlich verziehen, die Muskeln anspannen und sich kurzfristig benehmen wie unser sehr alte Vorfahre Menschenaffe – sinnlos umher springen, Sachen kaputt machen, rumbrüllen, onanieren. Niemand wird es auf irgendwelche mysteriösen Zyklen (Menstruation, Menopause, Mond), Tante Erna („Das hatse von der! Die alte Furie war auch völlig plemplem!“) oder unausgelebte Homosexualität schieben. Und insgeheim hoffen einige von uns: Möglicherweise finden Mädels das vielleicht sogar noch sexy – man kann dem ganzen Zirkus nämlich einen rebellischen Tarnanstrich geben, indem man das System verflucht oder den ein oder anderen wütenden Song rezitiert. Aber Mädels und plakativ Dampf ablassen? Verratet uns doch mal: Was für Techniken, außer Sport und Schokolade, beherrscht ihr zum wirklichen Frustabbau? Gibt es in jeder Mädchenseele einen uns unbekannten Keller ohne Fenster, wo ihr austickt wie Rambo? Oder macht es das verkniffene Gesicht alleine schon besser? (Eine vielleicht durchaus probate Lösung, aber Achtung: Es besteht Faltengefahr!) Die Mädchenantwort liest du auf der nächsten Seite.


Die Mädchenantwort:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Über diese Frage musste ich lange nachdenken. Es gibt sicherlich viele Mädchen, deren Aggressivität sich nur an verkrampften Mundwinkeln zeigt – sie sind in etwa das, was ich mir unter einer „alten Jungfer“ vorstelle. Allerdings kommt mir auch Courtney Love in den Sinn, die Allegorie der weiblichen Aggression, die sich hotelzimmerverwüstend durch Amerika prügelt. Und ich selbst bin vermutlich irgendwo in der Mitte zwischen Jungfer und Courtney Love. Wenn man mich ärgert, werde ich zuerst versuchen, so zu tun, als wäre nichts. Nach einigen Minuten wird sich das vielzitierte Mundwinkelsyndrom einstellen, bald daraufhin werde ich beginnen, das Ärgernis zu beschimpfen und zu beleidigen. Und manchmal - aber nur bei wirklich akut schlimmen Problemen (Schlussmachen, Tod eines Haustieres)- verwandle ich mich in eine sogenannte Drama-Queen – Schreien, Heulen und Toben inklusive. Vermutlich bin ich also ein Mischtemperament, das manchmal an eine alte Jungfer und manchmal an Courtney Love erinnert. Zur Veranschaulichung habe ich die zwei Extremtypen, die sich nach empirischer Untersuchung von etwa drei Freundinnen ergeben haben, sachlich als „die Beherrschte“ und „die Furie“ bezeichnet, um sie nach rein wissenschaftlichen Kriterien zu typologisieren. Die Beherrschte ist sehr introvertiert und ziemlich genau das, was du für ein wütendes Mädchen im Allgemeinen hältst. Sie braucht eine Weile, um zu begreifen, dass sie schlecht behandelt wurde und wenn sie es erkannt hat, ist sie trotzdem weit davon entfernt, zu toben. Sie klärt ihre Probleme lieber mit sich selbst. Dieses Phänomen wird in der Hausfrauenpsychologie gerne mit „Insichhineinfressen“ bezeichnet – und programmiert Heulausbrüche vor. Natürlich ist dieser Weg nicht sehr gesund, die Beherrschte läuft deshalb Gefahr, autoaggressiv zu werden. Ich glaube, es gibt kaum Jungs, die so beherrscht sind. Vielleicht, weil Mädchen schon als Kinder lernen, dass es sich für eine Dame nicht gehört, sich zu prügeln, zu fluchen und sich zu betrinken. Die Furie hingegen ist wahrhaftig explosiv und ein bisschen wie der wütende Rebell, der ihr gerne wärt. Sie kennt überhaupt keine Hemmungen, wenn sie sich im Unrecht fühlt. Und sofort muss ihre ganze Umwelt leiden und sich zum Objekte ihres Zornes machen lassen. Die Furie schmeißt Teller an die Wand, verflucht jeden in der Umgebung und wird zuweilen sogar handgreiflich. In meinem Freundeskreis tendieren ganz klischeehaft vor allem Südländerinnen zu diesem Extrem. Die beiden Extremtypen sind in ihrer Reinform sicherlich selten und die meisten Mädchen reagieren eher gemischt. Vielleicht solltet auch ihr das Abwägen zwischen den Extremen überdenken, wenn ihr euch das nächste Mal gezwungen seht, euren Schreibtisch kurz und klein zu schlagen. Heulen statt Hauen und Seufzen statt Saufen ist gar nicht so übel. Uns wäre ein weinerlicher Idiot lieber als ein gewalttätiger Idiot, der unsere Einrichtung zerdeppert. dana-brueller

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