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Jungs, findet ihr Frauenfußball etwa scharf?

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Birgit Prinz, dreifache Weltfußballerin. Ihr Name besticht nicht nur, wie Ottos Mops, durch völliges Fehlen von Vokalbreite, sondern auch dadurch, dass er uns schlagartig den Frauenfußball ins Bewusstsein knüppelte. Vor vier Jahren, als Deutschland noch arm dran war, quirlten sich die strammen Prinzschen Schenkel durch alle Schlagzeilen und bewiesen, dass es noch Hoffnung gibt, wenigstens für sportliche Damen. Das ist auch so ein Ding. Damen- oder Frauenfußball? In neuerer Zeit dominiert glücklicherweise Letzteres, obwohl nie jemand auf die Idee käme, vom Herrenfußball zu sprechen. Nach der Weltmeisterinnenschaft 2003 von Birgit Prinz und ihren Mannen (halt! Ihrer Frauschaft? Ihren Frauen?) war jeder Fußballclub, der nicht bei drei auf dem Baum saß, auf einmal mit siebenhundert weiblichen Neumitgliedern gesegnet. Keine Frage, dass die Mädels-Nationalmannschaft es wirklich drauf hat, gaben auch alle Jungs zu. Dann traten die Ballakrobatinnen wieder vornehm in den Hintergrund. Doch am Montag fängt sie wieder an, die Frauen-WM. Birgit Prinz, turnschuhfitte 29, ist auch dabei. Es sieht nach Titelerhalt aus. Angesichts dieser Nachricht frage ich mich: Wer sieht sich das eigentlich an? Ich ja nicht. Aus feministischen Gründen wäre es natürlich korrekt, aber die kickenden Schwestern interessieren mich nicht besonders. Ich vermeide auch Männerfußball, sofern es sich nicht um ohnehin unentrinnbare Spiele im Kreis des grillenden Public Viewing handelt Sie haben aber Einschaltquoten, und zwar keine niedrigen! Nachdem mir keine Mädels bekannt sind, die das gucken, müsst ja wohl ihr das Publikum sein, Jungs. Aber warum? Bei Beachvolleyball oder Schwimmen ist es ja klar: Viel nackte Haut. Doch das Spieleroutfit der Fußballdamen unterscheidet sich nicht großartig von dem der Herren, und die Sport-BHs sitzen bombenfest. Erotisches Empfinden kann es eigentlich nicht sein, es sei denn, ihr erwartet euch die ganze Zeit ein heißes Schlammcatchen nach der Blutgrätsche. Ist es mehr so ein gruseliges Gefühl der Konkurrenz, dem ihr euch vor dem Bildschirm aussetzt? Bedeutet euch das Wissen, dass euch die bessere Hälfte der Schöpfung jetzt auch noch die letzten Vorrechte nimmt und sogar auf dem geheiligten Grün eine bessere Figur macht, etwa genüssliche Qual? Bitte um Aufklärung, denn mich quält die Vorstellung, dass ihr womöglich die ganzen 90 Minuten auf ein Verrutschen der Trikots wartet.


Das ist in der Tat ein merkwürdiges Thema. Fußball und Frauen, so möchte man annehmen, sind doch die klassischen Jungsthemen. Verdreht man jedoch ihre Reihenfolge und setzt die Begriffe neu zusammen, verlieren sie plötzlich ihre Strahlkraft: „Frauenfußball“ verhält sich zu „Fußball“ und „Frauen“ wie ein Bleistift zu einem sehr dicken Edding. Und mit diesem vielleicht schiefen Bild sind wir der Beantwortung der Frage schon sehr nahe: Dass Jungs sich kaum für Frauenfußball interessieren, liegt nämlich an der Verhältnismäßigkeit. Bevor ich das aber im Detail erklären kann, muss ich schnell mit vier Punkten aufräumen, die du in deiner Frage anreißt: 1. Nein, es heißt sicher nicht Damen-Fußball.
2. Konkurrenz durch Menschen, deren Gekicke im Fernsehen übertragen wird, empfinden wir nicht mehr seit die Leute, die im Bundesliga-Sonderheft vorgestellt werden, so alt wie wir sind (oder sogar jünger!) 3. Frauen dürfen alles, was auch Männer dürfen. Wir haben nicht das Gefühl, eine Jungs-Domäne würde zerstört, wenn Mädchen Bälle ins Tor schießen. Und: 4. Erotik und Fußball haben nichts miteinander zu tun. Egal, ob ein Sport-BH zum Einsatz kommt oder nicht. Und egal, was euch die Spieler der italienischen Nationalmannschaft glauben machen wollen. Dass wir uns kaum für Frauenfußball interessieren, liegt vielmehr darin, dass dieser Sport die Verhältnisse ins Wanken bringt – oder jedenfalls die Dinge, die wir für die Verhältnisse halten: also dass man Spieler der fremden (aber durchaus auch der eigenen Mannschaft) beständig anschreien und beschimpfen darf, dass man unkontrolliert laut wird und nicht wirklich zuhört. Das alles gilt für Fußball, bei Mädchen gilt zumeist das Gegenteil. Die allermeisten Jungs haben Probleme damit, diese Kluft zu überbrücken. Frauenfußball zwingt sie aber dazu, deshalb interessieren sie sich der Einfachheit halber nicht dafür. Darüberhinaus scheitert der mediale Durchbruch der kickenden Frauen im Dress der Nationalmannschaft aber an einer ganz banalen Sache: Gewöhnung. Wer jede Woche einen Termin mit Miroslaw Klose hat, findet es nur konsequent mit ihm und dessen Kumpels auch einen märchenhaften Sommer zu verbringen. Wer jedoch nicht mal weiß, welche (und wieviele) Mannschaften in der Frauen-Bundesliga spielen, tut sich mit einer derart innigen Bindung halt etwas schwerer. Und das wiederum ist ein Problem, über das die Fußball-Frauen auch mit Dirk Nowitzki und den Basketball-Männern sprechen könnten. Es hat nämlich gar nichts mit Geschlechterrollen zu tun, sondern damit, dass niemand samstags Zeit hat für Basketball oder Frauenfußball: da ist - wenn man von diesem Länderspiel-Wochenende mal absieht - ja Bundesliga. dirk-vongehlen

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