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Warum dürfen wir Bikini-Brüste sehen, BH-Brüste aber nicht?

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Die Jungsfrage

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Gestern war es ja so: Mittags stehe ich an einem innerstädtischen Kiosk, um die ZEIT mit dem neuen Magazin drin zu kaufen. Vor mir waren zwei Mädchen und kauften Eis, die eine trug eine Short und so ein Bikinioberteil, das am Hals zusammengeknotet wird, die andere ein Bikinioberteil und ein offenes Hemd. Es war warm, es sah gut aus. Abends gehe ich donnerstags immer in so ein albernes Work-Out-Yoga, oft genug bin ich da der einzige Mann unter acht Mädchen und Frauen. Es gibt nur eine Umkleidekabine, was nicht schlimm ist, weil man meistens nicht so viel zum Umziehen hat – ein bequemes T-Shirt eben. Und gerade um in dieses zu gelangen, veranstalten die Yoga-Fräulein stets ein ziemlich verschämtes Brimborium, drängen sich in die Ecke, reißen panisch schnell die Arbeitsbluse runter, um innerhalb von Sekunden das T-Shirt über den BH zu kriegen. Damit der Typ (Ich) bloß keinen Augenblick vom BH erhascht! Und das verstehe ich eben nicht, warum sehen wir euch im Bikinioberteil durch die ganze Stadt flanieren, aber nie mal eine Sekunde im BH? Klar, ein durchsichtiges Spitzen-Dessous gibt natürlich mehr preis, als der blickdichte Badestoff, aber ihr habt ja auch genug BH’s die genauso dicht halten – trotzdem würdet ihr damit doch im Sommer nicht mal schnell zum Bäcker gehen. Warum? Was genau ist der Unterschied? Warum dürfen wir euch im Bikini ungeniert anschauen, müssen angesichts eines aktiven BH’s aber respektvoll die Augen abwenden? Die Mädchenantwort steht auf der nächsten Seite!


Die Mädchenantwort

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Tja, Jungs, es gibt Angewohnheiten, die wir selber nicht genau erklären können. Es ist uns einerseits wirklich unangenehm, unsere Unterwäsche aller Welt zu zeigen. Und es stimmt andererseits, dass wir gerne im Bikini rumlaufen. In euren Augen ist der Unterschied zwischen BH und Bikinioberteil nicht allzu groß. Für uns stecken hinter den beiden Teilen – so ähnlich sie sich sein mögen – zwei völlig unterschiedliche Prinzipien. Anders als Bikinis, die mit Frühlingsbeginn für spontane Aufregung sorgen, verursachen Dessous eher Unsicherheit. Natürlich ist es nicht so, dass wir uns darin hässlich finden. Aber wir mussten in der Umkleide bei Unterwäsche nie daran denken, mit diesem Stück die Jungs auf dem Handtuch nebenan zu beeindrucken. Der Unterschied liegt erstmal also in der völlig anderen Kaufeinstellung. Der Erwerb eines Dessous geht stiller und unauffälliger vor sich. Man sieht sich vor dem inneren Auge nicht neben hunderten Badegästen liegen. Dessous verschwinden erst in der Einkaufstüte und dann im Schrank. Gemacht und gekauft für schummriges Licht und vor allem viel Privatsphäre. Gelegentlich sieht man einen String-Tanga über dem Hosenbund, oder einen BH-Träger unter dem T-Shirt vorblitzen, die volle Pracht aber ist und bleibt besonderen Augenblicken vorbehalten - egal, ob Spitzen-oder Snoopy-Baumwoll-BH. Vielleicht könnt ihr Bikinioberteil und BH nicht immer unterscheiden, aber wir Frauen sehen das sofort. Deshalb fühlen wir uns unsicher im BH auf der Liegewiese und sehen plötzlich nur noch zusammengesteckte Köpfe anderer Frauen. Man fühlt sich nackt, obwohl der BH nicht selten blickdichter ist, als ein knappes Bikinioberteil. Es kommt eben nicht auf den Stoff oder die Form an, die sind sich zum verwechseln ähnlich, sondern auf das damit verbundene Prinzip. Und das Prinzip von Dessous ist eben auch meist Reiz, Erotik, Sex - zumindest wenn man ihren eigentlichen Einsatzort die Privatsphäre, mit der Öffentlichkeit austauscht. Und außerdem Jungs, mal ehrlich, würdet ihr in Boxershorts durch die Gegend laufen? Sollten wir auch bei Unterwäsche etwas eigen sein, so werden wir euch zumindest die Bikinis nicht vorenthalten. Immerhin haben wir uns das Angeschaut-Werden darin verdient, wenn man all die Strapazen bedenkt, die ihr Jungs nicht mitkriegt. Bis so ein neues Ding im Schrank hängt, muss nämlich die äußerst harte prä-sommerliche Phase durchlaufen werden, in der wir mit der besten Freundin von Laden zu Laden ziehen, um schmachtend vor den tollen Werbepostern mit den gebräunten 90-60-90 Mädels zu stehen, stets in der Hoffnung, Größe 36 möge wie im Vorjahr noch passen. Auch die gut gemeinten Tipps der Freundin („Wenn du erst ein bisschen Farbe bekommen hast, schaut der Bikini ganz toll aus!“) schlucken wir tapfer, und rufen uns als emanzipierte Frauen ins Gedächtnis, dass man schließlich nicht jeden Schönheitswahn mitmachen muss. Wenn wir diese Strapaze hinter uns gebracht haben erfüllt uns ein unglaubliches Bikini-Hochgefühl. Wir haben das Objekt der Begierde in der Tasche und nehmen uns vor, das gefürchtete und geliebte Teil in allen Ehren zu tragen. Wenn es sich anbietet, eben auch beim Gang zum Kiosk. anna-tillack

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