Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben
Aus der ehemaligen jetzt-Community: Du liest einen Nutzertext aus unserem Archiv.

The [real] thing

Text: sokratine
Es gibt diese Momente, in denen man weiß, dass man heute noch Sex hat. Sie sind klein und schmal und passen wahrscheinlich in Hosentaschen und Hosenbeulen, aber genau erklären kann man sie nicht. Es ist womöglich so, wie vor einem synthetischen Erdbeertortenstückchen zu sitzen und zu wissen, dass es nicht nach roten Beeren und Natur, sondern nach magenfluoreszierendem Süßkramglitter schmeckt. Solche Augenblicke sind in jedem Fall bedenklich.

So einer war jetzt. Bevor er seine wahre Identität offenbarte, stolperte er ein bisschen mit uns durch die Nacht, an rauen Häuserwänden und verblühten Apfelbäumen vorbei. Die Sonne ging unter, es war kurz vor sieben, und plötzlich roch es angenehm frisch nach Pheromoncocktail. Ich kannte dich schon lange, und in diesem Moment war ich völlig sicher, es seit meiner Geburt zu tun. Das Gras wippte unter meinen Füßen, als ich meine Arme auf deine zierlichen Schultern bettete und durch das Abendlicht versuchte, lüsterne Mine zum (hoffentlich) guten Spiel zu machen. Ich muss dabei wohl ausgesehen haben wie ein synthetisches Erdbeertörtchen. Du lachtest.

Es gab kein Halten mehr.

In deinem Zimmer roch es noch mehr nach dir. Ich verlor meinen Humor. Er purzelte vor mir herum und mein Herz kreischte über seine Existenz. Ich stand nicht weit von der Tür und blickte in deinen Raum hinein und du zur Tür hinaus, bevor du sie schlossest. Ich zitterte ein wenig. Jedes Mal war das so. Ich kann mir nicht helfen, ich kann es nicht verhindern, wenn die synthetische Erdbeertorte plötzlich beginnt, der köstlichste Kuchen in der Welt zu werden, weil man so viel aus ihm macht. Ich schloss die Augen und zwang mich, nicht impulsiv zu wirken. Ich würde warten, bis du das Licht ausmachtest, oder nicht, man weiß ja nie. Ich würde warten, bis du dich zart hinter mir bewegtest und zuerst deinen Atem und dann deine leisen Lippen auf meinen Körper legtest. Auf das aufgeregte Kitzeln meines Bauchnabels würde ich warten, wenn du ihm mal wieder so viel Aufmerksamkeit schenkst, dass ich eifersüchtig werden könnte. Auf meinen sachten Wimpernschlag, der dich in Ekstase versetzte, wenn ich meinen Kopf auf deinem Bauch behielt. Auf…

„Du bist schön.“ Auf das.

Und jetzt ziehst du mich aus. Und anstatt mich zu nehmen und aufs Bett zu legen, umfasst du meinen Bauch von hinten und lässt dein Köpfchen auf meiner Schulter ruhen. Und ich starre mit dir nach draußen, wo es vor Glück hageln könnte, aber die Welt nur stumm Anteil hat an dem, was wir tun.

Am nächsten Morgen finde ich uns zwischen weißen Laken. Wir sind halb angezogen. Wir haben es nicht getan.

Manchmal weiß man, dass man Sex haben wird.

Mehr lesen — Aktuelles aus der jetzt-Redaktion: