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Allein unter Fremden: Wir gehen dahin, wo es weh tut

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Manche Wege sind unangenehm, aber sie müssen gegangen werden. Sechs Autoren haben es für diese Seite getan: Sie sind in München dahin gegangen, wo es ihnen weh tut.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Nüchtern bei der Flatrate-Party Der Hallenboden mit einer Schicht aus Schweiß, Alkohol und Plastiksplittern überzogen. In der Luft schwappt ein süßlicher Tonbrei. Menschen tanzen, Menschen trinken, manche müssen kotzen. Schlagersahne, Alabamahalle, 0 Uhr. 16 Euro Eintritt und bis zwei Uhr sind die Getränke frei. Wer dann noch nicht betrunken ist, hat ein Problem mit Alkohol. Die Musik liefern Schweizer Schlager-DJs. Die Jungs nennen sich „Lautundspitz“. Eine Gruppe junger Männer mit seitlich ausrasierten Schädeln springt im Kreis. Eine dicke Frau und ein kleiner Mann tanzen Cha-cha-cha. Dann rutscht der kleine Mann aus. Ein schmächtiger Brillenträger kämpft mit dem Brechreiz. In seiner Hand hält er einen Plastikbecher Whiskey-Cola. Er torkelt in meine Richtung, ich gehe zur Seite. Sein Freund umarmt ihn und steckt ihm eine Zigarette in den Mund. „Verdammt, ich lieb’ dich“. Am Rand der Menge spuckt ein dicklicher Gast ein wenig Gallenflüssigkeit auf den Boden. „Wirf die Gläser an die Wand, Russland ist ein schönes Land, da da da da“. Ein breitschultriger Glatzkopf knutscht vor der Bar ein winziges blondes Mädchen. Seine Freunde neben ihm grölen: „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“ und klopfen ihm auf die Schulter. Ich habe mir meine Schnürsenkel nicht richtig gebunden. Das war ein Fehler. Anfassen möchte ich sie jetzt nicht mehr. Ein Mädchen mit Hornbrille versperrt mir den Weg. Sie grinst mich an. Ich möchte weg, weil in dieser Ecke die Luft in den Nasenlöcher beißt und weil Parfum mit Erbrochenem noch unerträglicher riecht als Kotze in Reinform. Das Mädchen zerrt an meiner Hand. „Komm tanzen!“ An der Bar schreit jemand wie ein Kleinkind „Bier“, immer wieder „Bier“. Um zwei Uhr verabschiedet sich „Lautundspitz“ mit „Jenseits von Eden“. Zurück bleibt eine klebrige Masse: auf dem Boden, in der Luft, im Kopf. philipp-mattheis

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