Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Angenehm gut: Charlotte Roche geht auf YouTube mit Willemsen pinkeln

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Erster Teil Natürlich kommt Roger Willemsen pünktlich! Und wenn das die Wohnung von Charlotte Roche ist, dann ist sie ganz gemütlich. Es folgen Kim Fisher (Moderatorin), Ferris MC (Hiphop) und Mieze (Berlin). Wonach ist diese Runde ausgewählt? Freunde von Charlotte? Die einzigen die mitmachen wollten? Man spielt also Wahrheit oder Pflicht und es ist doch gleich wieder wie im Schullandheim. Schnaps, Sofasitzen, Schummerlicht. Roger W. quatscht seine Nervosität übertrieben aktiv nieder, die Mädchen kichern, nur Ferris dumpft gelassen vor sich hin. Ob dieses Showkonzept, diese Fernseh-Idee oder was immer es sein soll, funktionieren wird, das muss sich jetzt in der ersten Runde zeigen. Gut, dass da Charlotte dran ist und gleich mal das Wort Klitoris hinauspeitscht, was den Gästen eine Sekunde Schockstarre abnötigt und den für alles sehr offenen Roger W. in einer unbeholfenen Übersprungshandlung „Du Sau!“ sagen lässt. Das ist eindeutig der erste Höhepunkt, nach dem nächsten Flaschendreh folgen recht schmerzliche „Roger W. redet offensiv unbefangen über die Abgründe seiner Kindheit“-Minuten. Die schlecht gespielte Betroffenheit der restlichen Runde macht klar: das funktioniert hier eher mit Gröhlen und Peinlichkeiten, mit salbungsvollem Seelenstriptease eines älteren Mannes sind Kim Fisher und Ferris MC tendenziell überfordert. Zweite Gefahr: wenn Willemsen ins hemmungslose Herumfransen kommt, ist auch die beste Showidee ganz schnell mit ihren Kräften am Ende. Dass Kim Fisher unter viel „kreisch kreisch“ noch Auskunft über ihre Intimfrisur geben muss und Roger W. diesen Bericht gerade an seiner sympathischsten Stelle mit einem kichrigen Hitler-Bart-Vergleich (den schön peinlich keiner versteht) unterbricht, wird ihn, davon darf man ausgehen, selbst am meisten ärgern.

Zweiter Teil Die schlimmste Phase. Alles freut sich nun zunächst, dass der vermummte und verpupste Ferris MC etwas machen muss, aber dann kommt nur eine schlappe Frage: Warum er kiffe? Das enttäuscht ihn sogar selber etwas, er sichert sich dennoch einen Punkt, indem er einfach sagt: bin süchtig. Schön zu sehen, dass sich die engagierten Mädchen nun reflexartig ins Zeug werfen, um dieses hässliche Geständnis mit allerlei mütterlichem („Kriegst du Druck von außen?“)- Entgegenkommen aufzufangen. Der Tiefpunkt der Show folgt auf dem Fuß, als sich bei der Frage nach Anal-Erfahrung der notorisch beredte Roger W. gegen alle Widerstände durchsetzt, um eine Rosetten-Motette darzubringen, die sich weder durch eine Pointe noch durch etwas anderes, als eine widerliche Willemsen-Weltschau auszeichnet und die alle müde und unzufrieden zurücklässt. Charlotte zieht das Ganze durch schlimme Einwürfe in die Länge. Beknackter Schlussdialog dieser Episode: Roger W.: That’s what is all about Charlotte: Yes-yes!

Dritter Teil Bester Teil des Spiels. Mieze bestimmt sehr geistesgegenwärtig, dass Charlotte und Roger W. gemeinsam pinkeln sollen. Aufreizend eklig ist weniger die Idee, als eine Geste von Roger W., die dieser sich nach erstem Entsetzen abringt: Einen Arm um Frl. Roche sagt er sanft beschützend „Komm, Charlotte“ und führt sie ins Klo. Würgreiz. Hinter verschlossener Tür kommen dann sehr viele schöne Sätze von Roger W. „Wie haben das Größte gemacht!“ „Das Größte ist von uns!“, „Es läuft noch!“ „Es läuft noch, der Strom ist ungebrochen.“ Das ist wirklich sehr erhellend, 24/7-Intelektuelle wie Roger W. können also auch die banalsten Verrichtungen in eine Heldensaga umdichten. Herrlich dann, dass Charlotte rausstürmt und Roger noch wie ein alter Herr im Zugklo an seiner Hose rumnestelt. Im Hintergrund ist vom aufmerksamen Zuschauer jetzt ein super Hin und Her zwischen Klassensprecherin Kim Fisher („Ferris und ich sind ein bisschen sprachlos“) und Ferris zu beobachten, der völlig weggetreten immer versucht zu verstehen, was die Klassensprecherin von ihm will: „Was ich?“ Ich?“ „Bin ich?“ „Ich bin was?“ „Sprach…äh?“ Richtig Fahrt nimmt der fortgeschrittene Abend auf, als Roger und Ferris Klamotten tauschen müssen. Das ist lustig, Ferris sieht in dem Toskana-Hemd auf einmal gut und aufgeweckt aus, und Roger W. im weißen Hiphop-Anorak einfach nur wie der Clown, der er ist. Die Runde baut jetzt stark ab, Ferris’ sympathische „100-Millionen-Dollar sind mein größter Wunsch“-Aussage finden die Mädchen natürlich wieder nicht okay und es entbrennt ein ödes Gutmenschen-Phrasendreschen.

Vierter Teil Die etwas bieder anmutende Kim Fisher erfreut im Endspurt mit einem recht locker [s]ausgedachten [/s] hingeworfenen Auflisten ihrer zehn ungewöhnlichsten Sex-Orte. Roger W. ist inzwischen offenbar betrunken, denn sein Einwurf („Sie hatte bestimmt erst neun Mal Sex, haha!“) lässt den sonstigen Charme doch stark missen. Rogers Unkonzentriertheit setzt sich fort, als er unverhohlen Bewunderung dafür zollt, dass Kim Fisher und ihr Partner offenbar zu mehr als einmal Sex am Tag fähig waren – sein eigenes Alter scheint derlei Potenz inzwischen ins Unfassliche gerückt zu haben. Nun wird es müde, da kann auch das finale Abfackeln von Miezes und Rogers Unterhosen nicht mehr viel retten. Das immerhin ist ein besinnliches letztes Bild. Letztlich Was bleibt von dieser ominös bei YouTube gestreuten Pilot-Sendung? Die Erkenntnis, dass dies alles ohne Roger Willemsen nicht halb so viel Unterhaltungswert gehabt hätte. Aber auch, dass B- und C- Promis, in den richtigen Rahmen gesetzt und leicht berauscht, durchaus kurzweilig agieren können. Bleibt zu hoffen, dass sich das Format unverändert in irgendein Fernsehprogramm retten kann, nicht gleich mit Grimme-Preisen totgekultet wird und eben: dass Roger Willemsen immer mitmacht.

  • teilen
  • schließen