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"Am Ende sind die Fotos scheißegal": Ein Fotograf über Bandfotos

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Bei Fotos für eine Zeitschrift ist meistens nicht viel Zeit. Halbe Stunde Interview und vielleicht 15 Minuten für ein Foto. Du versuchst dann schnell einen Hintergrund zu finden und den Menschen oder die Menschen gut rauszubringen. Mit Mike Skinner hatte ich zehn Minuten. Der war nicht wirklich gut gelaunt und hatte gerade Hunger. Also sind wir raus und er hat sich was zu Essen besorgt. Ich weiß nicht mehr, wo er damals auf der Maximilianstraße die Currywurst mit Ei und Ketchup herbekommen hat. Aber das Licht war zufällig gut und ich hatte ein paar Essensfotos von ihm und das war´s dann schon. Manche Fotografen gehen ja hin und sagen: "Hey, biet` mir was an! Spring hoch! Pose mal!" Ich bin eher der Typ: "Stell dich mal hin. Ich bin gleich wieder weg." Bei Promotion-Fotos für Plattenfirmen ist es freilich anders. Da versucht jeder, etwas Besonderes zu machen. Eine zeitlang hat man zum Beispiel immer den Film gecrosst, so dass die Farben leicht verschoben waren. Das war natürlich Effekthascherei, aber die Bands stehen drauf, weil sie cool rüberkommen. Zusätzlich kannst du noch aufblitzen, den Hintergrund dunkel ziehen - lauter Effekte, die auf den zweiten Blick aber langweilen. Was eigentlich zählt ist: die Idee. Aber die musst du erstmal haben. Meistens stehen die Bands deswegen vor einer Mauer, vor Wald. Die Plattenfirmen brauchen sehr viele gute Bilder, die wollen auswählen können, um Zeitschriften auch exklusiv bedienen zu können. Wenn du dann nicht genug Ideen hast, ich kenn das selbst - dann werden die Fotos eben langweilig. Was eine Idee ist, sieht man meiner Meinung nach immer gut in den Musikvideos. Rammstein, zum Beispiel, die verkleiden sich immer. Als Bergarbeiter, als Feuerwehrmänner - ob man die nun mag oder nicht, die sind dabei immer in einer Rolle aufgehoben, in einen Zusammenhang gestellt. Sowas ist natürlich auch für Fotos gut. Problem nur: Mit vielen Bands kannst du das nicht machen. Weil sie einfach keine Schauspieler sind.

Bands wie die Sportfreunde Stiller funktionieren anders. Die sind auf den Fotos immer drei Kumpels. Die Bilder entstehen im Zusammenspiel, weil sie eine Stimmung rüberbringen. Sowas nennt man wohl "authentisch". Die agieren von sich aus, der eine springt hoch, umher, was weiß ich. Da muss ich als Fotograf nicht mehr soviel dazu tun.

Bei The Notwist war es ganz ähnlich. Ein Zusammenspiel. Sie sind ins Studio gekommen und ich hatte erstmal diese Unterhemden mit den Porträts der Band, die ich irgendwelchen Typen auf der Straße angezogen hatte. Aber das hat noch nicht genügt, weil wir noch mehr Bilder brauchten. Dann meinten die: "Hm, bei uns geht immer alles schief. Wenn wir auf einen Seifenspender drücken, kommt immer die ganze Seife raus. Wir haben ... ein Problem mit Dingen." So kam das mit dem Kaffeebecher. Wir sind raus und - die hatten unglaublich Spaß dran.

Für das erste Album von "Wir sind Helden" habe ich zwar die Promo-Bilder gemacht, das CD-Cover aber kam anders zustande. Als ich kam, hatten sie schon eine Idee. Sie wollten am liebsten zu einem türkischen Hochzeitsfotografen. Ich habe gesagt: "Super Idee. Macht das bitte!" Ich fand das Ergebnis faszinierend. Die waren verkleidet wie für eine türkische Hochzeit und hatten auch diese Pose angenommen; dazu die wechselnden Kitschhintergründe - da sieht man, wieviel der Hintergrund ausmacht.

Für ein Album der Emil Bulls habe ich lebensgroße Pappfiguren der Band genommen und bin damit nach Rimini gefahren. Eigentlich auch eine Effekthascherei, aber ich konnte mir die Figuren hinstellen, wo ich wollte - in leere Swimmingpools, an den Strand. Die standen immer da und hatten die gleichen Posen. Das hatte was ... Analoges. Mittlerweile brauchst du dafür nicht mehr nach Rimini. Das machst du im Photoshop. Was ich sagen will: Wirklich jeder hat zur Bandfotografie eine andere Ansicht. Und ich bin eben für das dokumentarische Bild. Ich richte mich danach, wo die Leute sind, wie sie sind. Ich versuche einfach, besser kann ich es nicht ausdrücken: "gute Bilder" zu machen. Und die Band nach Möglichkeit nicht vor eine Mauer zu stellen. Die grindigen Hintergründe entstehen auch, weil die Bands so aussehen wollen wie andere Bands. Dummerweise sind viele aber nicht wie diese coolen Engländer. Du kannst Menschen nicht kopieren. Anton Corbijn zum Beispiel war einer der bekanntesten Bandfotografen aus den 80ern und 90ern. Der hat versucht, die Bands aus dem Live-Umfeld rauszubringen. Der hat U2 die gesamte Laufbahn begleitet, Videos mit denen gedreht. Der hatte eine eigene Technik, Litoprint, sehr grob gekörnt. Das war zwar auch ein Effekt - aber er hat dabei die Menschen in den Vordergrund gestellt. Aber sind wir mal ehrlich: Am Ende sind die Fotos scheißegal. Den meisten ist das doch eh wurscht - die kaufen die Musik. Und nicht die Grafik. Das schlechteste Artwork wird gekauft, wenn "Ärzte" draufsteht. Deshalb geht es bei den Promo-Bildern meistens darum, dass die Köpfe drauf sind. Und basta.

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