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Bitte melden! Gesuche am Schwarzen Brett und ihre Geschichte

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Leopoldstraße 13 a, der Eingangsbereich der Universitäts-Mensa des Münchner Studentenwerks: Quadratmeterweise und in mehreren Schichten hängen Zettel an vielen Schwarzen Brettern. Meist geht es den Zettelschreibern dabei um Zimmer und Zwischenmieten, mitunter aber findet sich unter den Anliegen auch Rätselhaftes und Kurioses. Welche Menschen und welche Geschichten stecken hinter diesen Offerten und Fragen? Wir haben bei den interessantesten der ausgehängten Zettel die angegebene Nummer gewählt. Neun Protokolle:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Anruf bei Tanja Hoffmann, 27, München

Den Laptop habe ich vor kurzem von meiner Patentante aus Italien geschenkt bekommen. Das Problem fängt bei dem Ding schon damit an, dass es auf der Tastatur kein „ä“, „ü“ und „ö“ gibt. Noch viel blöder ist allerdings, dass auf dem Rechner gar keine Programme waren. Ich habe viele Programme selbst installiert, aber die meisten verstehe ich nicht. Dafür suche ich jetzt jemanden, der mir da weiterhilft. Ich habe zum Beispiel einen iPod, auf dem ich Songs von einer CD hören wollte. Also habe ich die Titel auf meine Festplatte kopiert. Allerdings kapiere ich nicht, wie man Dateien in MP3s umwandelt. Ich arbeite übrigens auch als Model und habe ein Programm zum Bilderretuschieren – aber da habe ich noch so meine Probleme. Normale Computerkurse helfen dir nicht wirklich weiter, weil jeder ein anderes Problem hat. Bei meiner Anzeige habe ich mir gedacht: Es darf nicht zu klein sein, damit man es nicht übersieht. Möglichst kurz, prägnant, groß, damit es ins Auge springt. Vier Leute haben sich bis jetzt immerhin schon gemeldet. Dass ich mich mit Computern nicht auskenne, sieht man übrigens auch an meinem Zettel: Eigentlich wollte ich unten meine Handynummer mehrmals schräg eintragen, damit man die abreißen kann – aber ich wusste gar nicht, wie man das in Word formatiert. 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Anruf bei Martin Loipersberger, 26, München 

Seit eineinhalb Wochen suche ich Versuchspersonen für meine Diplomarbeit. Ich teste nämlich das Computerprogramm „Ramsis“, das in der Autoentwicklung eingesetzt wird. Im Prinzip geht es darum, mit dem Programm Sitze in Autos so zu konstruieren, dass die Leute kein Problem bekommen, wenn sie vom Sitz aus die Tür öffnen und aussteigen. Ich überprüfe jetzt, ob die Daten, die das Programm liefert, auch passen. Für jemanden, der sich nicht damit auskennt, klingt meine Arbeit natürlich unspektakulär. Ich bin zwar eigentlich Biologe, aber meine Diplomarbeit schreibe ich jetzt in Maschinenbau. Mein Thema gefällt mir ziemlich gut, weil es eben Biologie, Technik und Computer vereint. Da natürlich nicht alle Frauen und Männer gleich groß sind, brauche ich junge und alte Versuchspersonen mit einer bestimmten Größe. Die Maße, die ich brauche, haben sich mittlerweile leicht geändert, deshalb hänge ich demnächst neue Plakate auf. Bis jetzt haben sich leider erst zehn Leute gemeldet. Meistens Jungs, weil Maschinenbau hauptsächlich von Männern studiert wird. Vielleicht ändert sich das, wenn ich den Leuten ein Geschenk fürs Mitmachen anbieten kann, aber ich weiß noch nicht, ob es dafür Geld gibt. Fertig werden muss ich mit der Diplomarbeit allerdings erst im September.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Anruf bei Michael Moroder, 60, München

Deeksha ist eine Form der Energieübertragung. Wer sich auskennt, wird feststellen, dass Deeksha ein bisschen wie Reiki ist. Entdeckt hat diese neue Energie ein weiser Mann in Indien. Um Deeksha übertragen zu können, legt man jemandem eine Minute lang die Hände auf den Kopf. Das hat es in der Geschichte bereits früher gegeben. Schon Jesus hat damit angefangen. Deeksha ist für jeden geeignet und wirkt hauptsächlich auf die Psyche. Es harmonisiert. Das Problem in Europa ist, dass der Mensch sein Leben nicht so genießen kann, weil er ständig auf der Hut ist. Deeksha hilft nun, das Alarmzentrum ruhig zu stellen. Wir haben nämlich leider oft ein Missverhältnis zu dem Komfort. Den Menschen geht es gut, aber sie können sich darüber nicht mehr freuen. Um Deeksha übertragen zu können, bin ich nach Indien gefahren und habe eine dreiwöchige Ausbildung gemacht. Der Kreis auf meinem Plakat ist übrigens ein Kunstwerk von mir.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Anruf bei Margarita Parvanov, 22, München

Ich wusste gar nicht, dass dieses Plakat noch in der Mensa hängt. Das ist schon fast zwei Jahre her, dass ich das gemalt habe. Ich habe damals dringend eine Wohnung gesucht und ich finde es immer angenehmer, wenn mich jemand anruft. Vorher habe ich schon oft irgendwo angerufen und dann hieß es meist, dass das Plakat schon lange da hängt und die Wohnung vergeben ist. Damit das Plakat auch ja auffällt, habe ich es bemalt. Dass da in der Mitte dieser Engel ist, liegt daran, dass ich ein Engelfan bin. Das ist mir fast ein bisschen peinlich, aber ich assoziiere damit etwas Geborgenes. Jedenfalls hat das mit dem Plakat gut geklappt, denn nach einer Woche hat mich eine Frau angerufen. Die wollte zwar erst 350 Euro haben, aber als ich gesagt habe, dass auf meinem Plakat 300 Euro steht, ist sie mit dem Preis runtergegangen. Ruhig war es in der Wohnung leider nicht: Ich habe auf der Straßenseite gewohnt und dauernd den Verkehr gehört. Nach einem Jahr bin ich ins Studentenwohnheim gezogen. Da zahle ich mit Wasser und Internet nur 220 Euro. Um die alte Wohnung los zu werden, habe ich übrigens wieder ein Plakat aufgehängt. Da sind dann die Leute zur Besichtigung mit dem ganzen Plakat gekommen – die haben das extra gemacht, damit andere sich nicht mehr melden können. Das hat mich richtig geärgert.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Anruf bei Sylvia Schaber, 20, Münster

Nach München will ich hauptsächlich wieder zurück, weil hier meine Familie und meine Freunde sind. Münster ist, zugegeben, wirklich eine sehr nette, kleine Studentenstadt und es gibt hier auch viele Kneipen, aber das Freizeitangebot ist meiner Meinung nach nicht so toll. Ich gehe nämlich gerne wandern und in die Berge – das geht hier im Norden nicht. Ich habe jetzt sogar mit Rennradfahren angefangen, um hier Sport machen zu können. Ob das mit München klappt, weiß ich aber nicht. Bis jetzt hat sich noch keiner auf mein Tauschangebot gemeldet. Mit Studenten der Technischen Universität kann ich übrigens auch gar nicht tauschen, weil die an der TU im ersten klinischen Semester niemanden nehmen. Das liegt wohl daran, dass viele nach dem Physikum tauschen wollen, weil es am praktischsten ist. Man hat dann nämlich nicht das Problem, dass man Scheine nachholen muss. Wenn ich jemanden von der Ludwig-Maximilians-Universität finden würde, müsste ich noch einen Tauschantrag stellen. Allerdings gibt es auch noch eine andere Möglichkeit, wie ich vielleicht an den Studienplatz in München kommen könnte. Ich habe mich in der Kardiologie und in der Psychiatrie für eine Doktorandenstelle beworben. Beide Male habe ich zum Glück eine Zusage bekommen. Jetzt musste ich noch einen offiziellen Antrag ausfüllen – und wenn alles gut geht, kann ich auch ohne den Studienplatztausch nach Bayern wechseln.

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Illustration: Julia Schubert

Anruf bei Dominik Michalke, 21, Aßling

Als Black-Metal-Band hat man es in der Münchner Gegend schwer. Black Metal ist so eine Art satanischer Heavy Metal und einen Sänger findet man da gar nicht so leicht. Ist halt ziemlich Underground. Wir haben deshalb auch ganz fett auf unser Plakat geschrieben, dass wir einen Shouter suchen. Wir brauchen nicht einen, der clean singt, sondern der richtig kreischen kann. Das muss er uns natürlich auch beweisen. Auf der anderen Seite haben wir auch unsere Internetseite angegeben, damit der Sänger sofort merkt, ob er zu unserem Stil passt. Übers Internet und Musikforen haben wir natürlich schon probiert, jemanden zu finden. Aber da hatten wir keinen Erfolg. Jetzt haben sich immerhin drei Leute auf unsere Anzeige hin gemeldet. Sie haben uns gezeigt, was sie können. Einer wäre was gewesen – aber der hat sich nicht mehr gemeldet. Wir haben zudem noch das Problem, dass wir unseren Bassisten verloren haben. Das übernimmt jetzt aushilfsmäßig meine Schwester, noch zusätzlich zum Keyboard. Es wäre aber echt nicht schlecht, wenn das mit dem Sänger klappen würde. Wichtig ist, dass er sich wirklich zum Frontmann berufen fühlt. Dafür muss er übrigens auch nicht unbedingt lange Haare haben. Solange er was drauf hat, ist es echt egal, wie er aussieht.

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Illustration: Julia Schubert

Anruf bei Klaus Rusam, 30, aus München

Den Zettel haben wir erst vor kurzem hingeklebt, denn unsere Band gibt es erst seit zwei Wochen. Balkan-Ska-Punk hört sich ein bisschen komisch an, aber man kann es durchaus wörtlich nehmen. Es ist von allem etwas. Das Akkordeon und unsere Melodien sind balkanisch, der Groove ist wie beim Ska und unsere Sängerin singt ziemlich punkig. Allerdings mit einem Augenzwinkern, denn knallharten Politpunk machen wir nicht. Irgendwie ist es allerdings noch zu früh, um zu sagen, in welche Richtung es geht. Eigentlich versuche ich schon seit eineinhalb Jahren, eine Band zu gründen. Nur ist immer etwas dazwischen gekommen. Wir waren eben nur eine Sängerin, ein Akkordeonspieler und ein Schlagzeuger. Vor einigen Wochen haben wir dann übers Internet endlich einen Posaunisten aus Berlin gefunden. Das ist so die Initialzündung gewesen. Auf unseren Aushang in der Mensa haben sich leider keine Trompeter gemeldet. Die Freundin von unserem Akkordeonspieler lernt jetzt zwar Trompete, aber wir suchen nach wie vor einen weiteren Trompeter. Dass wir einen Bläser suchen, ist übrigens keine Möchtegernprovokation, sondern ein gängiger Begriff in der Musik. Da muss man schon freudianisch vorbelastet sein, um daraus etwas anderes herauszulesen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Anruf bei einem Herr in München, der gern anonym bleiben möchte

Ich habe seit einigen Jahren eine alte Finca, die in einem kleinen mallorquinischen Dorf im Nordwesten zwischen Pollenςa und Andratx liegt. Dieses Stück Land ist ein Traum. Ich habe sie von deutschen Freunden, die die Hütte mit knapp 14 000 Quadratmeter Land in den 60er Jahren erworben haben. Meine Freunde hatten nämlich keine Zeit, sich um die Finca zu kümmern. Ich habe sie dann für viel Geld renoviert. Die Finca hat übrigens nach wie vor kein fließendes Wasser und keinen Strom. Im November 2002 begannen dann die Probleme: Es gab einen Sturm, der über 100 Bäume auf meinem Grundstück entwurzelt hat. Gott sei Dank fielen sie nicht auf meine Hütte, denn zu dieser Zeit war ich gerade in der Finca. Ich bin gern im Herbst dort, denn da ist es immer so ruhig. Seit dem Sturm herrscht auf meinem Land große Dürre. Wo früher das Land in den 60er Jahren noch grün war, ist es heute braun. Und nicht nur bei mir, sondern auf ganz Mallorca. Da zeigt sich der Klimawandel ganz deutlich. Das ist auch der Grund, warum ich jemanden brauche, der vor Ort in meiner Finca nachsieht, ob alles in Ordnung ist. Ich kann nicht immer jedes Jahr hin, denn das kostet schließlich Zeit und Geld. Ich selbst war zuletzt 2005 dort und bis jetzt hat auch immer ein Bekannter nachsehen können. Nur von denen hatte eben keiner Zeit und deshalb habe ich 2006 den Zettel in der Mensa aufgehängt. Leider hat sich bisher niemand gemeldet. Meinen Namen nenne ich bewusst nicht, denn mir ist es lieber, nur die Telefonnummer anzugeben. Dann kann ich selbst selektieren, wem ich etwas von mir erzähle. In dem Dorf, in dem ich meine Finca habe, kann mir niemand helfen. Ich habe keine Beziehung zu den wichtigen Leuten und lebe dort bewusst sehr zurückgezogen. Allgemein ist es so, dass es auf Mallorca kaum Kontakte zwischen Deutschen und Mallorquinern gibt. Dabei wäre es so wichtig. Schließlich kommen jedes Jahr drei Millionen Deutsche nach Mallorca. Ich selbst bin übrigens kein Mallorquiner. Mein Vater ist Brasilianer, meine Mutter Italienerin. Ein gewissen Bezug habe ich allerdings schon: Ich arbeite unter anderem als Hispanist und habe auch in Spanien gelebt. Die Landschaft zwischen Pollenςa und Andratx ist zudem einfach wunderschön. Ich kann nur jedem empfehlen, dorthin zu reisen.

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Illustration: Julia Schubert

Anruf bei Ilona Steinmeyer, 52, Haag

Schamanismus ist das älteste Heilsystem, das es gibt. Es ist eine uralte Methode, sich mit Trommeltönen in Trance zu versetzen und das Bewusstsein für Heilzwecke einzusetzen. Ich selbst bin damit zum ersten Mal in Kontakt gekommen, als ich etwa sieben Jahre alt war. Mein Vater hat nämlich damals angefangen, mich auszubilden. Richtig begonnen habe ich dann vor 25 Jahren. Um Schamane zu werden, muss man übrigens nicht Ethnologie studieren. Medialität und Hellsichtigkeit sind die beiden Vorraussetzungen, die zählen. Das ist etwas, was fast jeder Mensch in sich entdecken kann. In meinem Grundkurs können die Teilnehmer erfahren, ob Schamanismus etwas für sie ist. Jeder bekommt eine Trommel und ich gebe den Rhythmus vor, den die Teilnehmer nachtrommeln sollen. Erfahrungen mit einem Instrument braucht man dafür nicht. Mit diesem Trommeln versetzt man sich dann in Trance. Dass sich dadurch im Gehirn Bewusstseinszustände ändern, kann man zudem über ein EEG feststellen. In dieser Trance verliert man sich aber nicht – man hat darüber jederzeit die Kontrolle. Ich könnte es mir auch gar nicht leisten, wenn die Leute aus der Trance nicht mehr zu sich zurückfinden würden. Es wird übrigens – das ist mir wichtig, weil es da oft Missverständnisse gibt – bei den Schamanen auf keinen Fall mit Drogen gearbeitet.

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