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Majorindie, Indiemajor, whatever! Im Gespräch mit den Herman Dünes

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Das Büro der Plattenfirma ist in Kreuzberg, nicht in Mitte und folgerichtig gibt es Kaffee aus bunten Tassen mit Sprung, nicht Latte im Glas. Die Mitarbeiterin ist keine Auszubildende und der Konferenzraum, in dem David-Ivar und Neman von Herman Düne (oder neuerdings auch Herman Dune) sitzen, würde auch als WG-Küche durchgehen. Genauso ist die Stimmung: David-Ivar, der mit dem wuchernden Vollbart, spielt während des Interviews auf seiner Gitarre kleine Melodien, manchmal singt er kurz eines seiner Lieder an. Neman lehnt derweil auf den Gitarrenkoffer und zeichnet mit einem weichen Bleistift Unförmiges in ein Moleskin-Büchlein. Auf „Not On Top“, eurem letzten Album lautet einer der zentralen Sätze „I am twentyseven and I’m fucked“. Hat sich was verändert seitdem? David-Ivar: Ich bin jetzt dreißig und, na ja, ein bisschen "fucked" bin ich auf eine Weise immer noch. Im Ernst: Es geht uns besser. Schon mit „Not On Top“ wurde es eigentlich ziemlich gut. Ich war mit der Band, der Musik und mit dem Touren ziemlich glücklich. Als ich das geschrieben habe – „Twentyseven and I am fucked“ – ging es vor allem um das Gefühl, kein Teenager mehr zu sein. Mir geht das immer noch so: Wenn diese Kids erzählen, dass sie gerade Nirvana für sich entdeckt haben und ich sage, dass ich Nirvana damals live gesehen habe, dann schauen sie mich an und glauben mir nicht. Als hätte ich gesagt, ich hätte Jimi Hendrix live gesehen. Dann fühle ich mich plötzlich wahnsinnig alt. Für Popbegriffe sind Herman Düne richtig alt. Und richtig lange dabei. Wenn Herman Düne in diesen Tagen durch die Besprechungsmaschinerie der Medienlandschaft gewalzt werden, wird ihnen immer ein Begriff folgen: Majordeal. Das Album „Giant“, das am 26. Februar erscheint, ist das erste, das regulär von einer Plattenfirma in die Welt geschickt wird. Insgesamt aber ist „Giant“ das achte Album und die Alben zuvor, vor allem eben das letzte, „Not On Top“, aber auch das fünfte, „Mas Cambio“, waren von einer Größe, Schönheit und Verletzlichkeit, die ihresgleichen sucht.

Man hört eurer Musik eine ziemliche Rastlosigkeit an. Paris, Berlin, New York – wo ist Zuhause? Neman: Paris. Unsere Familien und unsere Freunde sind da. Aber Paris ist keine sonderlich anregende Stadt, auch was Musik angeht. David-Ivar: Das neue Album habe ich vollständig in New York geschrieben. Wir waren lange in Brooklyn bei Freunden haben live gespielt. Ich bin dann nach Manhattan gezogen und von dort aus viel durch die Stadt gefahren, vor allem nach Brooklyn, nach Coney Island. Es ist wahnsinnig schön da, es gibt diesen verfallenden Vergnügungspark und vor allem den Strand. Gleich nebenan ist ein russisches Viertel und gleich dahinter eine jüdische Gegend und dann eine, in der viele Chinesen wohnen. Und die Menschen auf der Straße sind gut gelaunt. Auf dem Album geht es viel ums Unterwegs sein. Und um Brücken. Ich bin fast jeden Tag auf der Brücke über den East River gefahren. Rastlosigkeit und Gelassenheit. Das ist es. So wie David-Ivar in diesem Raum sitzt und einfach keine Sekunde aufhört, auf seiner Gitarre zu dudeln, völlig unbeeindruckt von Presse, Majorvertrag, Interesse und was alles bald passieren mag. Und eben doch aufgekratzt, nicht richtig da. Man kann sich diesen bärtigen Mann, dem die Deckhaare langsam ausgehen, gut vorstellen, in der U-Bahn durch Brooklyn, zwischen den bunt zusammengewürfelten Menschen dieser Stadt, über den eingeschossigen Häusern mit Blick über dieses Meer aus Holz und Stein und Beton, dem der Zerfall überall anzusehen ist. David-Ivar: Dieses Gefühl, wenn man Songs in der U-Bahn schreibt, ist ganz anders. Die Bewegung löst in mir sehr das Bedürfnis aus, etwas zu tun. Und man sieht natürlich ganz andere Dinge. Man sieht vor allem Menschen, die man nicht sehen würde, wenn man sich in sein Zimmer einschließt. Das andere Gefühl, das bei Herman Düne bestimmend scheint, ist vielleicht: Zerrissenheit. Das schließt zum einen natürlich an die Vorangegangenen an, folgt ja auch logisch daraus. Trotzdem ist Zerrissenheit vielleicht etwas Grundsätzlicheres. David-Ivar: Ich habe noch immer nicht das Gefühl, irgendwo angekommen zu sein. Trotz des aktuellen Erfolgs und trotz des Älterwerdens. Ich denke immer noch, dass ich eines Tages in einer kleinen Hütte am Meer wohnen werde, an einem Platz den ich bislang nicht kenne. Im Grunde genommen habe ich noch immer keine Ahnung, wo ich sein mag. Aber das ist ja auch ein Gefühl, das mich eben dazu bringt, dass ich Songs schreiben will. Dieses Gefühl, das man hat, wenn man unterwegs ist, wenn man weiß, dass man irgendwo wohl nur ein Jahr bleibt – und die Art, wie man dann über sich und alles nachdenkt, das führt sehr dazu, im Jetzt zu leben. Und außerdem träumt man von anderen Orten. Und das ist auch in den Songs. Die Songs. Natürlich merkt man „Giant“ an, dass es nicht mehr das selbst gezimmerte Album aus dem Schlafzimmer ist. Es gibt Bläser. Der Sound ist professioneller. Es gibt eine Single und zur Single ein Musikvideo und genau das ist der Moment, in dem da draußen jemand aufschreit und Angst um eine sehr ans Herz gewachsene Band hat. Aber keine Panik. „Giant“ ist ein wirklich wundervolles Album. Und diese beiden, wahnsinnig entspannten Herren hier, die vor sich hin kritzeln und an den Saiten einer Gitarre rumzupfen, die sind einfach zu alt und zu lange dabei, um sich irgendwelche Flöhe in den Kopf setzen zu lassen.

„Giant“ von Herman Düne erscheint am 26. Februar in Deutschland, in vielen Ländern der Welt ist das Album bereits letzten Herbst erschienen. Das Video zur Single „I wish I could see you soon“ kann man

in einer ersten Arbeitsphase sehen und hier mit Spezialeffekten und allem Tralala. Beide Versionen sind herzerweichend niedlich und schön. Alle Bilder sind von Hermandune.com

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