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Gone II

Text: lilluvya
Weil er es damals versprach und es vielleicht nie aufhört



Er schließt die Augen. Setzt einen Fuß vor den anderen. Ganz vorsichtig. Kieselsteinknirschen. Flußrauschen. Autos zischen vorbei. Dann ein Lkw.

Und alles beginnt von vorne. Er fasst mit seiner Hand nach dem Brückengeländer, denn alles beginnt zu schwanken und zu beben und er spürt die Angst und in seinem Kopf dröhnt ein Schrei, wie er ihn schon so oft gehört hat und der ihn jedesmal fast in die Knie zwingt. Er zittert. Versucht wieder Ruhe zu finden. Er läuft weiter, schneller als vorher denn er will endlich bei ihr sein, weil die Straße zu laut und das Wetter zu matschig ist. Die Musik in seinem Kopf gibt ihm den Herzschlag vor und sein Atem geht sogar noch etwas schneller.

Dann ist er bei ihr, fällt ihr in die Arme, klammert sich fest, atmet tief durch und wenn er die Augen schließt und jede Berührung und ihren Geruch in sich aufnimmt, als wäre es das letzte, was er täte, dann weiß er, er ist angekommen und wird wieder ruhig. Sie fragt ihn nicht, fragt nicht nach, hält ihn wie ein kleines Kind und sorgt sich und vielleicht schenkt er ihr dafür bald eine Rose mit einem Zettel dran, dass er sie von der Schule auch dann abholen wird, wenn sie ihm sagt, dass sie von einem Freund mitgenommen wird, weil sie alles ist für ihn und er es nicht lassen kann, auch wenn er weiß, dass sie ihn nicht heilen, sondern nur die Schmerzen lindern kann. Denn noch heute steht er nachts auf, wenn ihn die Gedanken an damals um den Schlaf bringen, geht zum Fenster und versucht sie zu finden, da draußen in der Nacht, da draußen im Damals und er mag es, wenn ihm die Kälte unter das Hemd kriecht und seine nackten Beine vor Kälte schon etwas taub werden, dann sackt er zusammen. Innerlich ist er dann jedoch schon längst zusammengebrochen. Er ist dann ganz allein, weil nicht mal das Mädchen, das in seinem Bett liegt ihm helfen kann, weil es sind seine Momente, in denen er einfach allein sein muss, weil es niemanden gibt, der ihm den Schmerz ganz nehmen kann.

Wenn er an dem Grab vorbeikommt, dann wendet er immer noch den Kopf, so weit es geht und weiß nicht, ob er langsamer gehen soll oder schneller und bleibt dann meist doch stehen und würde sich am liebsten lebendig neben sie schaufeln lassen. Dass bald wieder Jahrestag ist macht ihm Angst, denn drei Jahre sind eine halbe Ewigkeit, aber er hat vergessen, dass die Zeit nur in der Vollendung heilt und wir alle erst am Anfang stehen, oder zumindest er.

Es geht weiter immer weiter und hört nicht auf und wenn er sein Mädchen heute nicht hätte, dann wären es vielleicht nicht nur einsame Nächte sondern die Tage würden auch sterben und dass die Blumen am Grab jedes Jahr doch wieder blühen gibt ihm einen kleinen wehmütigen Stich ins Herz, weil Menschen nur einmal blühen und er sich wünscht sie noch einmal wiederzusehen.

Wie es weitergehen soll, weiß er nicht, er wird sich weiterhin festklammern und halten lassen und warten, warten, bis es endet.











für Hofi

Text: lilluvya

Foto: Stefan Huberth

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