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Du bist DJ - Warum plötzlich alle auflegen

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In meinem Freundeskreis gibt es nur fünf Menschen – drei davon sind weiblich -, die eines gemeinsam haben: Sie haben noch nie aufgelegt und haben erstaunlicherweise auch keinerlei Ambitionen, eines Tages aufzulegen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Sogar der zukünftige König von England hat schon als DJ gearbeitet Der ganze große Rest befindet sich in verschiedenen Stadien einer halb-professionellen DJ-Karriere. Manche legen alle paar Monate bevorzugt auf Hochzeiten auf, andere einmal im Monat, einige sind sogar in mehreren Clubs regelmäßig gebucht. Und alle, wirklich alle, geben mit ihren Auftritten gerne ein wenig an. Klingt ja auch gut: „Hey, ich lege morgen im Dings-Club auf, wollt ihr nicht alle kommen und ein Bier zur besten Musik der Stadt nehmen?“ All diese Hobby-DJs haben selbstverständlich einen Job, mit dem sie genug Geld zum Leben verdienen. Am Geld liegt es also sicher nicht, dass sie sich neben einem Vollzeitjob noch nachts in eine Kneipe stellen und für wenig bis gar kein Geld bis drei Uhr nachts weiter schuften. Geld verdienen damit einzig und alleine die Inhaber von Clubs und Cafes, die daraus ein Geschäftsmodell gemacht haben, ambitionierte Laien an die Plattenteller ranzulassen. Denn die Erfahrung sagt: so ein Hobby-DJ bringt immer eine Traube von zwangsverpflichteten Freunden und Bekannten mit, bei denen er mit seiner Plattensammlung Eindruck schinden will. Und die konsumieren und füllen den Laden schon mal zur Hälfte. Der Umsatz des Abends ist garantiert und der Rest des Ladens wird hoffentlich mit zukünftigen DJs gefüllt, die sich gleich für die nächsten Schichten eintragen. Und so ist dieses Geschäftsmodell für alle gut: den Wirt, den Hobby-DJ – und den anwesenden Gästen ist erfahrungsgemäß sowieso egal, zu welchem Sound sie sich unterhalten, trinken und rauchen. Trotzdem bricht sich fast jeder, der mehr als zehn CDs besitzt, einen ab, um wenigstens einmal in seinem Leben der DJ des Abends zu sein. Woran das liegt? Vielleicht daran: Musik ist uns sehr wichtig und von der Plattensammlung und enzyklopädischem Wissen eines Menschen lassen wir uns gerne beeindrucken. Und weil wir das wissen, wollen wir ebenfalls beeindrucken. Wir sammeln Musik, aber wir können nicht dauernd unsere Plattensammlung auf einem kleinen Wägelchen hinter uns herziehen, um dafür Komplimente zu erhaschen. Wenn wir auflegen, können wir ungestraft angeben – im allerbesten Fall können wir sogar Andere in uns verknallt machen. Im schlimmsten Fall gehen wir mit unserem ambitionierten Angebertum allen auf die Nerven. DJs – zumindest noch bis vor einigen Jahren – standen bei uns fast auf einer Coolness-Stufe mit den Bandmitgliedern des Abends. Weil wir zu wenig Zeit und Lust haben, eine Band zu gründen, zu üben und dann berühmt zu werden, beschließen wir, es mit der Instant-Version als DJ zu versuchen – und so die Anerkennung der Vielen zu bekommen. Außerdem: Wenn ein DJ seinen Job gut macht, hat er den Club im Griff. Er hat ein winziges kleines bisschen Macht. Und wir mögen Macht. Auch wenn das in unserem Fall höchstens heißt, bei einem Biertrinker ein Fußwippen hervorzurufen. Es hat sich im Laufe der Zeit das Wissen in unseren Köpfen festgesetzt, dass Auflegen keine Kunst, nicht mal Handwerk ist und dass das eigentlich jeder kann. Und das stimmt ja auch: man muss sich ein bisschen mit der Technik anfreunden, die Musik zusammensammeln und dann kann es eigentlich schon losgehen. Mit einem kleinen Unterschied: Ein echter DJ legt nicht nur seine Lieblingslieder auf. Sondern sorgt mit seiner musikalischen Arbeit dafür, dass ein Abend im Club toll wird. Von Fortgeschrittenen-Fähigkeiten wie Scratchen, Mixen und perfekten Übergängen schweigen wir hier sowieso. P.S.: Die Autorin betätigt sich selbstverständlich ebenfalls als DJ-Laie. Bild: dpa

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