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Backstage mit "Kreidler": Nackt im MOMA

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Kreidler, in natura Ich weiß nicht, ob das nun sehr Deutsch ist. Rock´n´Roll mag auch etwas anders sein. Aber Backstage-Räume müssen sauber sein. Sie sind es meist nur nie! Das treibt dann schon mal seltsame Blüten: Dort angekommen, wird dann meist erst mal geputzt. Also, das abgestandene Bier der angebrochenen Sixpack-Flaschen wird im Klo verklappt; der angeklimmte Spliff aufmerksam entsorgt. In unserem Technical-Reader, also in unserem Wunschzettel an den Veranstalter, steht denn auch dick: Der Backstage-Bereich soll zudem möglichst ruhig gelegen, die Türe abschließbar sein. Bei unseren über 300 Auftritten war das glaube ich genau einmal der Fall. Manchmal wünscht man sich auch die Proportionen der Architektur definieren zu können. So bei unserem Gastspiel in der Schweiz. Auftritten dort wohnt immer ein ganz besonderer Charme inne – nicht nur weil die aufmerksamen Menschen unseres eidgenössischen Vertriebes uns immer mit offenen Armen willkommen heißen, ein Schweizer Taschenmesser in Petto, als Gast-Präsent. Und zwar jedes Mal aufs Neue. Diesen Abend sollten wir im Dynamo spielen, einem traditionsreichen, verschrobenen Kulturzentrum, hübsch gelegen am wohl schönsten Flecken Zürichs, der Limmat. Ich war furchtbar im Streit mit Thomas, meinem Band-Kollegen. Der Backstage-Bereich, in dem wir uns auf Zeit eingerichtet hatten, war ebenso beengt wie der Durchgang vom Trubel in die Stille; und es war nicht so, dass unser bemühter Veranstalter uns darauf nicht aufmerksam gemacht hätte. Im Affekt wuchtete ich jedoch meinen Kopf mit Wut im Bauch böse gegen den Türzargen. Im Backstage-Raum, griff ich vom Schmerz benebelt in den Kühlschrank, legte mir einen Eisbeutel auf die hitzige Stirn. Genau, einen Eisbeutel: Vanille-Eis. Die Stimmung unmittelbar vor Auftritt war dennoch eisig – bis sie kippte, als der Beutel platze und mir die Vanille von der Frisur tropfte. Das Konzert danach war wunderbar, trotz Bourbon-Vanille am Revers.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Kreidler, selbst aufgezeichnet. So richtig wild und Rock`n Roll wiederfuhr es uns jedoch bei unserem glamourösen Auftritt, anlässlich der Vernissage unseres Freundes Andreas Gursky im Museum of Modern Art in New York. Ich war das erste Mal in New York. Bei der Ankunft fühlte man sich gleich wie in einem dieser Tim Burton Filme: New York war in Schnee gepackt, überall glitzerte es. So richtig Glam versprühte dann auch die Vernissage. Wir fuhren mit dicker Limousine vor, Tags zuvor noch mussten wir zu unserem Auftritt in der Knitting Factory mit der U-Bahn anreisen, samt Equipment. Das MOMA platzte schon aus allen Nähten, als wir ankamen. Lustigerweise ließen die Sicherheitskräfte nicht mal Andreas, den Fotographen und Mittelpunkt des Abends, in die Ausstellung. Wir spielten in einer winzigen Nische, die zugleich unser Backstage-Raum war, eingekeilt zwischen Behinderten-Toilette und Rolltreppe. Auch die Edel-Junkies an diesem Abend entdeckten bald, nachdem wir unser Set begannen, dieses Fleckchen; die Sicherheitsleute hatten deshalb auch den ganzen Abend alle Hände voll zu tun, diesen eskapistischen Menschen-Knäuel zu vertreiben, ebenso wie die Nackten, die permanent auf der Toilette abhingen. Höhepunkt jedoch: der Auftritt des Frontmannes der New Yorker Band „Spread Me Wide Open“. Ich glaube, es war während wir unseren kleinen Hit „Coldness“ spielten, als er das Baustellen-Band niederriss, das uns vom Party-Mob trennte und sich splitternackt auszog. In Ekstase. War ein lustiger Abend, in unserem Backstage-Raum. Abbildungen: Kreidler

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