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The Boys From School: Nerd-Talk mit Hot Chip

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Ihr seid gerade auf einer langen Tour. Wie ist euer Leben on the road? Felix: Je länger du auf Tour bist und bei einer Band spielst, umso dümmer wirst du. Als ich noch Literatur studiert habe, war ich so voller Ideen und Inspiration aus Büchern und Gedichten. Heute fühl ich mich manchmal wie ein richtiger Idiot. Es ist ein ziemlich idiotischer Lifestyle. Du verbringst einfach viel Zeit betrunken, oder schaust Fernsehen oder bist einfach nur müde. Die beste Zeit hast Du wirklich beim Konzert auf der Bühne. Ihr werdet oft als Nerds bezeichnet. Trifft das auf euch zu? Felix: Das sind Etiketten, die uns von außen aufgedrückt werden. Wegen des Stils unserer Produktion oder unseres Ausehens. Wir haben nie eine Identität um uns herum konstruiert. Wir sind einfach wie wir sind.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ärgert Ihr euch darüber? Felix: Nein. Das ist auch nicht das was zählt. Hauptsache die Leute kommen zu unseren Shows und lernen uns dort kennen. Es ist nur ärgerlich, wenn die Leute das Album hören und denken: „Ich mag es nicht weil es von ein paar Nerds gemacht wurde!“ Das hat denn das verdammt noch mal mit der Musik zu tun? Es könnte ein Hindernis sein,dass jemand einen Zugang zu uns findet. Aber deswegen kann ich trotzdem nachts gut schlafen. In letzter Zeit spielt auch MySpace eine große Rolle für junge Bands, wie man auch am Erfolg von Bands wie den Arctic Monkeys oder Lily Allen sieht. Kümmert Ihr euch selbst um eure Seite? Felix: Joe hat sich anfangs immer selbst um unsere Seite gekümmert, aber mittlerweile machen das die Leute von unserer Plattenfirma. Mir persönlich gruselts eher vor dieser ganzen MySpace-Sache. In den Medien ist das gar nicht so präsent, aber MySpace wird von Rupert Murdoch doch nur benutzt, um Daten zu sammeln und auszuspähen was junge User so mögen und in ihre Profile schreiben. Aber auch wir haben durch MySpace schon Remixangebote bekommen. Vermittelt MySpace nicht auch die falsche Illusion, dass Bands sich persönlich um ihre Fans kümmern? Felix: Ja, und auch dieser Wettbewerb „Freunde“ zu haben oder mehr „Freunde“ zu haben. Das ist einfach vollkommen bedeutungslos! Ich habe 30000 Freunde. Was soll ich damit? Trotzdem geh ich nachts allein heulend ins Bett.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Kommen wir jetzt zur Musik. Was unterscheidet das erste Album „Comin on Strong“ vom neuen Album „The Warning“? Felix: Die Umstände unter denen die beiden Alben entstanden waren sehr unterschiedlich. Die Songs des ersten Albums entstanden über einen ziemlich langen Zeitraum, damals hatten wir noch normale Jobs oder studierten und spielten die Songs nur so aus Spaß im Schlafzimmer ein. Auch „The Warning“ wurde zu Hause aufgenommen und war keine große Studioproduktion, doch diesmal dachten wir schon dass wir ein größeres Publikum erreichen werden. Ist das neue Album deswegen tanzbarer ausgefallen? Felix: Das kommt vor allem von unseren Erfahrungen als Live-Band. Beim ersten Album war Hot Chip noch Joe und Alexis’ Projekt und später kamen erst Al, Owen und ich dazu. Man entwickelt Musik ganz an Musik anders, wenn man schon einmal auf einer Bühne vor hundert oder tausend Leuten gestanden hat, als wenn man nur Zuhause in seinem Schlafzimmer sitzt. Bei Live-Konzerten musst du Songs einfacher und direkter gestalten, damit sie auch auf der Bühne funktionieren. Das lernt man aber erst, wenn man wirklich live spielt. Ist das Homerecording auch verantwortlich für den „behaglichen“ Sound des alten Albums? Felix: Den intimen Sound? Ja, das könnte schon sein. Es ist seltsam, dass es viele Presseleute das für so ungewöhnlich halten, weil es eigentlich keine Seltenheit mehr ist, dass man die Platten zu Hause aufnimmt. Der technologische Fortschritt macht das sehr leicht möglich. Was macht für Euch einen perfekten Popsong aus? Owen: Das ist eine schwierige Formel, es ist die Chemie die es ausmacht. Felix: Der Rhythmus ist sehr wichtig. Owen: Wiederholung und Melodie. Wenn es ein guter Popsong ist, dann enthält er etwas Das Du nicht erwartet hättest, etwas ungewöhnliches, was dich verwirrt. Die meiste Popmusik wird doch nur dafür gemacht möglichst viele Platten zu verkaufen und das ist doch langweilig. Ein Hot Chip-Song hat immer diese Überraschungsmomente? Felix: Vor allem Alexis hat musikalisch einen perversen Instinkt und geht immer gerne in die entgegengesetzte Richtung, wenn der Song sich im Produktionsprozess zu ähnlich nach einer anderen Band anhörte. So entwickelt er die Songs weiter. Wirklich eine komische Art zu arbeiten, aber bei uns scheint’s zu funktionieren. Ihr spielt mit relativ alten analogen Keyboards. Kommt das eher daher, dass ihr zu Beginn eurer Laufbahn einfach kein Geld hattet oder dass ihr einen bestimmten einzigartigen Sound haben wolltet? Felix: Ein bisschen von beidem würde ich sagen. Unsere Keyboards sind teilweise 25 Jahre alt und vertragen die Hitze in den Clubs nicht mehr, die schmelzen uns fast unter den Fingern weg. Aber trotzdem benutzen wir sie gerne, weil sie diesen einzigartigen Sound haben. Sogar ein Keyboard kann menschlich klingen, obwohl die Leute früher gedacht haben, es wäre kalt und inhuman. Für mich ist Kraftwerk auch sehr lebendig und gefühlvoll. Habt ihr Brüder im Geiste in der Musikszene. Ihr werdet ja oft mit DFA oder LCD Soundsystem zusammengeworfen Ich weiß nicht. Wir sind ihnen nicht besonders ähnlich, obwohl ich ihre Musik mag. Aber es gibt eine Verbindung über unsere Plattenfirma, denn unsere Platten erscheinen über DFA Records in den USA. Mehr Informationen zu Hot Chip findet Ihr unter: www.hotchip.co.uk Fotos: Labels/EMI

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