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Wir wurden Freunde, als wir uns trafen. Wir wurden Verliebte, als wir uns küssten. Wir wurden reicher mit allen, als wir uns trennten.

Text: rasenmaeherkaputtmacher
Vorgestern schicktest du mir Fotos. Alte Fotos, die die Zeit nicht verdauen, die das Licht nicht verschlucken, die Farben gefangen halten. Sie sind aus einer Zeit, in der wir uns frisch verliebt fühlten, als wir Pfirsich- und Bananneeis tauschten, als wir uns an der Elbe küssten, und im Bahnhof Zoo - als du zum Abschied geweint hast. Du hast immer geweint und ich nicht. Ich wusste nicht wieso. Ich wollte es nicht. Weinen macht traurig. Ich war glücklich mit dir. Und anstelle der Tränen drückte ich meinen Mund an die Scheibe im ICE. Der Fleck meiner Lippen blieb bis Hamburg zu sehen.



Jetzt ist die Zeit eine andere, wir teilen unser Eis nicht mehr deshalb, weil der Zweck nicht mehr der Kuss ist, sondern weil jeder weiß, dass alles Eis der Welt gut schmeckt. Ich küsse zum Abschied keine Scheiben mehr, du weinst keine Tränen mehr. Du wolltest mich lange zurück haben.



Als unsere Beziehung Zahnschmerzen bekam, klagten wir die Umstände an. Hamburg – Berlin. Alles zu weit, alles zu wenig, alles zu viel. Und jeder unserer Beweise an die Welt, dass wir stärker waren als die paar Hundert Kilometer, war ein Trugschluss gegenüber uns. Ich weiß noch, wie doll die Lüge schmeckte, als wir uns sagten, wir blieben für immer zusammen.

Nach etwa einem Jahr hielten wir uns kaum aus. Während wir zusammen waren, bauten wir uns Bilder, wie wir uns haben wollten. Wir lebten nach einem Modelle eines Lebens, was nicht möglich war. Wir hielten uns nicht an die Regeln der Vernunft. Wir schlossen alles aus, was uns im Wege stand. Es machte mich blind. Wir enttäuschten uns gegenseitig, weil wir nicht so waren, wie wir wollten - weil wir uns nie so hatten, wie wir uns gegenseitig Glauben machten – es war nur ein Wunsch, den wir versuchten zu leben. Mit der Zeit gingen wir uns damit auf die Nerven.



Am Ende standen wir uns gegenüber, während wir auseinander liefen - über uns die Last einer Beziehung, deren Pendel zu weit ausschlug zwischen einer Hoffnung auf weniger Entfernung und dem Glück einer Zweisamkeit – so dünn und sanft wie Seide. Ich wollte den Stoff durchtrennen, der uns verband, in der Hoffnung auf ein Mehr an Freundschaft, auf ein Weniger an Verlangen.



Unser letztes Telefonat als Beziehungsfreunde war unser erstes Telefonat als Freundschaftsfreunde. Du hast zwei Stunden geweint, dann hast du ganz lange gelacht. Der Unterschied zwischen unserer Beziehung und unserer Freundschaft besteht darin, dass wir die Nähe nicht mehr mit Entfernungen messen müssen.



Wir verstanden uns so gut nach unserer Trennung. So verdammt gut – es war kein Fehler. Es war ein anderer Anfang, eine Trennung von Notwendigkeit – ein Schritt in Richtung emotionaler Unbefangenheit. Herzfreiheit. Es schrie nicht mehr. Es brauchte nicht mehr zittern. Es war trotzdem glücklich. Ich weiß, dass unsere Zeit nach der Trennung bisher genauso schön ist, wie die Momente, als wir am Beginn unserer Beziehung standen.



Wir wurden Freunde, als wir uns trafen. Wir wurden Verliebte, als wir uns küssten. Wir wurden reicher mit allen, als wir uns trennten.



Du.













Und ich.






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