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Jung und jüdisch in München: Uri Siegel erinnert sich - Teil 3

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War es nicht seltsam für Sie in ein Land zurück zu kehren, das Sie zuvor bekämpft hat? Ich glaube, es ist es leichter, in ein Land zurück zu kehren, gegen das man kämpfte als in eines, das einen verfolgt hat und man tatenlos zusehen musste. Fühlten Sie sich in München willkommen? Ich habe vorwiegend Bekannte meiner Eltern getroffen, mit denen bin ich gut ausgekommen. Die Stimmung war positiv. Aber ein echtes „Willkommen“ hat gefehlt. Mein Vater kannte zum Beispiel Wilhelm Hoegner, den einzigen SPD-Ministerpräsidenten Bayerns. Als mein Vater in den Ersten Weltkrieg zog, musste er einen Vertreter für seine Kanzlei bestellen. Das war Hoegner. Als Hoegner 1946 Ministerpräsident wurde, hat ihm mein Vater einen Gratulationsbrief geschrieben. Ich kenne nur die Antwort. Da bedankt sich Hoegner und freut sich, dass mein Vater ein neues Zuhause in Palästina gefunden hat. Aber kein „Kommen Sie doch wieder zurück. Wir wären froh, wenn unsere alten Mitbewohner zurückkämen.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Hatten Sie nach Ihrer Rückkehr nach München denn Interesse an jüdischem Leben? Viel mehr als als Kind! Ich kam ja aus Israel, wo es naturgemäß jüdisches Leben gab. Außerdem betreuten wir in der Kanzlei vorwiegend jüdische Mandanten, die meisten waren polnische Juden, deutsche Juden waren selten, Münchner Juden nur wenige. Aber in die Synagoge bin ich immer noch selten gegangen. Waren Sie denn auch in der Gemeinde aktiv? Ich bin in den 60er Jahren zum ersten Mal in den Vorstand gewählt worden, nachdem ich mich habe überreden lassen, auf der Liste von Fritz Neuland, dem Gründer der Gemeinde nach dem Krieg und Vater der jetzigen Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, zu kandidieren. Zwei Jahre war ich Vizepräsident der Gemeinde und ich war viele Jahre als Geschäftsführer des Landesverbands der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern tätig. War die Münchner Gemeinde nach dem Krieg verändert? Sehr. Vor dem Krieg waren in der Gemeinde deutsche Staatsbürger Jüdischen Glaubens, die in erster Linie Deutsche waren, dann gab es die Ultrareligiösen, die in erster Linie Juden waren, die Zionisten und alle dazwischen. Die Gemeinde war liberal. Es waren vor allem Leute, die sich als Juden gefühlt haben, aber wenig in die Synagoge gegangen sind. Seit dem Krieg ist es eine orthodoxe Gemeinde, obwohl im Vorstand vielleicht einer mit Kippa sitzt. Es gibt keine Fraktionen wie früher, sondern einzelne Persönlichkeiten mit verschiedenen Interessen. Hat sich das jüdischen Leben in München verändert? Sie sind weniger präsent im städtischen Leben als vor dem Krieg. Es gibt zum Beispiel keinen jüdischen Richter. Früher war mal der Präsident der jüdischen Gemeinde Richter am bayerischen Obersten Landesgericht. Mein späterer Schwiegervater war Stadtsyndikus. Die Bogenhausener Juden haben damals eine wichtige Rolle in der Stadt gespielt und in der jüdischen Gemeinde. Da war zum Beispiel der Isidor Bach, das war der Besitzer vom Modehaus Konen. Oder Bamberger, der Besitzer vom Hirmer. Wenn Sie sich den Neubau des Gemeindezentrums am Jakobsplatz anschauen, was geht Ihnen da durch den Kopf? Zunächst, dass Frau Knobloch hier Großartiges geleistet hat. Ich habe aber etwas Bedenken, ob das Ganze nicht eine Nummer zu groß ist, aber vielleicht bin ich zu pessimistisch. jetzt.muenchen: Sie waren relativ lange in Israel. Bereuen Sie die Entscheidung, nach München zurückgekehrt zu sein? Ich bin zufrieden mit dieser Entscheidung, bleibe aber immer noch mit Israel verbunden. Und wo ist Ihre Heimat? Sie kennen den Spruch: Heimat ist da, wo es einem gut geht. Geht es Ihnen gut in München? Ja. Hier geht es zu Teil 2 und zu Teil 1 des Interviews. dirk-schoenlebe und

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