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Satt durch alle Semester

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Die Gesellschaftsschicht der Studenten ereilt seit jeher das Misstrauen und die Abschätzigkeit aller anderen Gesellschaftsschichten. Statt in einem Studenten einen jungen Erwachsenen mit gut durchbluteten Zellen zu sehen, der auf dem Höhepunkt seiner Schaffens- und Geisteskraft der menschlichen Gattung allerhöchste Zierde beschert, gilt der dem Volk als faul, wahnhaft und unselbstständig. Deswegen werden Studenten auch regelmäßig mit speziellen Kochbüchern bemuttert, wie sonst nur Diabetiker oder Schwangere. Gibt es Kochbücher für Bildungsbürger, technische Angestellte oder Beamte? Nein, nur Studenten müssen aus Studentenkochbüchern kochen. Das vorliegende Exemplar dieser Special-Interest-Literatur wagt immerhin den Schritt, Rezepte von Studenten zu einem Kochbuch für Studenten zusammenzufassen und verbannt den erhobenen Christiane-frischesGemüse-Herzog - Zeigefinger. Auch hier ist die Anforderung an Studentens Tellerbelag recht schlicht: „Lecker und ergiebig müssen die Mahlzeiten sein, die Zutaten kostengünstig und leicht zu beschaffen.“ Das schreibt ein leibhaftiger Münsteraner Professor im Vorwort und bezieht sich vage auf Erfahrungen aus seiner Jugend. Aufgemacht ist das Buch wie ein stabiler Collegeblock, somit praktisch und vor allem ohne störenden Falz, das Layout ist übersichtlich und die Bebilderung verzeichnet neben Standards wie den hereinragenden Spagetti auch mittelprächtige Amateur-Pics und menschelnde Lidl-Kassenbons. Beim Stichwort Lidl sind wir schon mittendrin. Was hier gezutatet wird ist tatsächlich und erstmal wertfrei: aus dem Discounter nebenan. Das ist, unpolitisch gesehen, nicht schlecht, denn oft greifen nach einem langen Tag Einkaufslust und geographische Gegebenheiten ineinander und führen dazu, dass man, Gemüsestand hin Biobäcker her, gerne alles in einem einzigen Supermarkt erstehen möchte. Und mal ehrlich, der sonst zu lesende Satz „Lassen sie sich von ihrem Metzger den Rehrücken gleich parieren und fragen Sie auch nach ein paar Knochen für den Fond“, hat noch kein Kochvorhaben leichter gemacht. Zwei Probleme Es ist also flott eingekauft und in den meisten Fällen auch schnell zusammengekocht, was die Münsteraner Studenten hier aufschrieben und ergibt eine vermutlich sehr realitätsgetreue Abbildung deutscher Alltagsküche (freilich nicht nur die der Studenten) – das gelingt ja sonst keinem Hausmannskost-Buch. Problem eins dabei: Das meiste was hier so angeboten wird, hätte man eben auch selber aufschreiben können. Nur wer bisher gar nichts kochte, erfährt seitenweise Horizonterweiterung, alle anderen picken hier und da interessantes („Nuss-Sahne-Hähnchen“) oder längst mal angestrebtes („Toskanischer Brotsalat“) heraus. Dass man aber eben nie „Kunterbunte Spätzlepfanne“ gekocht hat, wohl aber schon mal alles was noch da war in eine Pfanne tat und damit das gleiche Ergebnis erzielte, diese Offenbarung hält die schwierige Balance zwischen Alltagstauglichkeit und Neuland hier oft bereit. Gefällig ist das glanzlose und kurze Basic-Wissen zu den jeweiligen Kapiteln, das ad hoc umsetzbar ist und nicht bei den Anbaugebieten der Artischocke beginnt. Gar nicht gefällig hingegen sind die erschreckend hohen Energiewerte der Speisen, in nahezu jedem zweiten Gericht landen ein Becher Sahne oder Crème Fraiche, zu einer Hackfleischpfanne für fünf Personen werden sagenhafte drei Becher Sahne angeraten. Kommen Soßen vor, werden diese ausschließlich mit Sahne zu solchen befördert. Eine Mehlschwitze als Grundlage existiert nicht mal mehr in einer Randbemerkung. Damit sind wir beim Problem zwei: kenntnislose Ernährung, selbstverständlicher Einsatz von Fertigprodukten wie „Maggi fix für Chili con carne“ in den Rezepten und liebloses Verhältnis zur Vielfalt (es wird ständig mit geschmacksneutralem Putenfleisch gebraten) ergeben auch in nettem Layout kein gutes Bild vom Status Quo jungen Kochbewusstseins. "Satt durch alle Semester – Das Studentenkochbuch", 80 Seiten, ist beim Hölker Verlag erschienen und kostet 9,95 Euro.

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