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Freitag, der 9. Juni 2006 in München - der Vormittag

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Julia Kliemt, 6.00 Verdammt, doch wieder eingepennt. Beim Anblick des großen Rucksacks und meiner Rotkreuz-Jacke, wird es mir schlagartig wieder klar: Heute, Eröffnungsspiel der WM, und ich dabei. Zwar nicht mittendrin, aber immerhin am Fan-Fest im Olympiapark. Nun noch ein Turboprogramm im Bad und bin ich für den Tag gerüstet. Marcel Ullmann, 6.02 Ich wache ganz früh im Hotelzimmer auf, aber mein Papa schläft auch schon nicht mehr. Der ist so aufgeregt! Ich bin auch aufgeregt, aber mein Papa ist noch aufgeregter. Heute passiert nämlich das Aller-Aller-Allertollste. Heute ist das Spiel und ich laufe mit den Nationalspielern ins Stadion! Anna Böger, 6.30 Stehe auf. Verschlafen mache ich Sprechübungen, aber nur ganz leise. Habe Rückenschmerzen, scheiß Ikeabett. Faris Al-Sultan, 7:15 Aufstehen, Frühstück: Eier, Vollkorntoast und Schokolade dazu Spezi. Ich bin gerade in der Trainingsphase für den Langdistanztriathlon in Roth und mache heute seit drei Wochen mal wieder einen fast kompletten Ruhetag . Katja Huber, 7.40 Dass ich ausgerechnet heute von Sonnenstrahlen geweckt werde . . . Anna Böger, 7.42 Sitze im Zug nach Rosenheim. Gehe in die Berge und esse jetzt schon meine Stullen. Die Bäckersfrau, bei der ich vorhin eingekauft habe, hatte ein WM-Mützchen auf. Auf ihrem Gesicht hing etwas was aussah wie ein aufgeschnittener , halber, schlaffer Fußball. Ich glaube das war es für heute mit der WM. Julia Decker, 8.00 Zu Hause in der Küche. Der erste Anruf. Ein Freund rät mir, falls ich alleine in Stadion fahren sollte, wäre es besser, wenn ich statt der U-Bahn ein Taxi nehme, damit ich nicht zertrampelt werde. Wenn irgendetwas sein sollte, ein irrer Amokläufer, ein Anschlag, Panik oder sonst irgendwas, soll ich nicht wie alle anderen zu den Ausgängen rennen, sondern aufs Spielfeld. Da wäre ich sicher. Ich verspreche mich an alles zu halten. Faris Al-Sultan, 8.03 Am PC, Mails mit Sponsoren, Freunden austauschen, Kommunikation ist alles. Manrique, 8.10 Wir kommen mit dem Flieger aus Brüssel in München an. Wir sind nur für das Fußballspiel nach München gekommen, morgen fliegen wir weiter nach Paris, zu den French Open. Julia Decker, 8.20 Der zweite Anruf: meine Mutter wünscht viel Spaß und fragt, ob ich im Stadion ein Dirndl tragen werde. Ich vermute es war ein Witz. Meine Karte hat mein Freund M. aus Berlin, der mit seinem Großvater vom Flughafen direkt ins Stadion fährt. Der Großvater ist 82 und hat sich extra für’s Spiel eine neue bequeme Hose gekauft und ein Blouson. Aamu Song, 8.35 Aufgewacht mit einem enormen Kater. Gestern war ich mit Freunden in Andechs. Trinke jetzt Hohes C. Faris Al-Sultan, 8.50 Auf zum Feldmochinger See Neoprenanzug und Wassertemperatur testen. Marcel Ullmann, 9.10 Mein Papa hat mich zum Stadion gebracht, jetzt ist er weg und darf erst abends ins Stadion, aber das ist nicht schlimm: Ich habe hier ja meine beiden Kumpels Janik und Tim. Seit wir in München sind, machen wir alles zusammen und wir haben einen tollen Plan. Aber der ist noch geheim. Faris, 9.20 Neoprenanzug gut, Wasser saukalt, kein Wunder bei dem Sommeranfang. Julia Decker, 10.04 In der Redaktion. Alle reden über Ballack und spekulieren, ob er nun spielt oder nicht. Ich erkläre 200 Mal, das M. die Karten über die Verlosung bekommen hat und betone, dass ich nicht 400 Euro gezahlt habe, sondern nur 190. Während ich rede, denke ich manchmal, dass ich wirklich billig weggekommen bin für so ein großes Ereignis und manchmal denke ich, dass ich gar nicht sicher bin, warum ich soviel Geld für ein Fußballspiel ausgebe. Faris Al-Sultan, 10.15 Zweites Frühstück. Überfall auf den Bäcker, Brezen, Quarktasche. Anna Böger, 10.40 Sehr alleine im Wald. Weg gibt es auch keinen mehr. Also wirklich sehr alleine. Marcel Ullmann, 10.15 Wir üben einlaufen. Aber die Männer, die mit uns üben, sind gar keine echten Fußballspieler. Ich glaube, das sind Leute von McDonald’s. Drei Mal müssen wir das machen. Im Stadion ist noch fast niemand, außer Thomas Gottschalk. Der läuft so eine Treppe hoch und wir winken ihm. Manrique, 10.52 Wir fahren zum Marienplatz und von dort zum WM-Stadion. Wir wollen schauen, ob es noch Tickets gibt. Es gibt keine mehr, also fahren wir zum Olympia-Park. Da ist es aber schrecklich voll, also gehen wir weiter. Wir suchen überall nach einem Fernseher, auf dem wir das Spiel anschauen können, finden aber keinen. Katja Huber, 11.00 Zündfunk-Redaktionskonferenz: Keine Trikots, keine Hymnen, kein Panini-Bildchen-Tausch. Dafür kollektives Mitleid für das heutige Tagesteam, das ab 19 Uhr – für wen eigentlich – sendet? Faris Al-Sultan, 11.03 Fahrt nach Erding, ich muß bei meinem Sponsor Klamotten zum Bedrucken abgeben. Anna Böger, 11.06 Habe gerade im Tourenbuch nachgelesen. Ich weiß jetzt ganz genau, dass ich mich komplett verlaufen habe. Ich sitze am Fuß des Gipfels, aber auf der falschen Seite. Hier führt kein schmaler Pfad in zehn Minuten nach oben. Hier gibt es nur eine sehr steile Felswand. Ich will nicht umkehren. Ziehe meine Schuhe aus und versuche hochzuklettern. Anna Böger, 11.09 Ohgottohgottohgott. Ganz schlecht. Stopp! Faris Al-Sultan, 12:45 Besuch bei Oma im Krankenhaus ein mittlerweile fast verheilter Schlüsselbeinbruch hat ihr einen fünfwöchigen Krankenhausaufenthalt beschert. Mittlerweile ist in München WM-Fieber ausgebrochen: Schwarz Rot Gold und Weiß sind eindeutig die Farben des Sommers. Julia Kliemt, 13.55 In einer Stunde soll ich mich mit 30 anderen Sanitätern an der Olympiahalle beim Einsatzleiter melden. Als ob mein Rucksack nicht schwer genug wäre, muss ich noch zwei Säcke mit Wäsche für meine Kollegen mitnehmen, die ich gestern aus der Rotkreuz-Zentrale geholt habe. Faris Al-Sultan, 14.00 Drittes Frühstück: Brezen, Brot, Körniger Frischkäse Anna Böger, 14.22 Ich bin oben, verdreckt und voller Schlamm aber auf der sicheren Seite. Über mir zieht ein Drachenflieger seine Runden. Sonst nur drei Vögel. Faris Al-Sultan, 14.45 Zeit fürs Mittagsschläfchen Lies hier, wie der Tag weiterging: 9. Juni 2006 - der Nachmittag

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