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Keine Arbeit? Ab nach Norwegen

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Ilona Jaudzims ist Teamleiterin des Jugendprojekts beim Europaservice im Arbeitsamt Rostock. Das Projekt bietet Kurse für junge Arbeitslose an, die einen Job in Skandinavien finden wollen. Sie bieten Kurse an, die auf eine Arbeitsaufnahme im Ausland vorbereiten. Warum? Junge Leute, gerade hier in Mecklenburg-Vorpommern haben es nach der Ausbildung unwahrscheinlich schwer, einen Arbeitsplatz zu finden. So wie die nationalen Arbeitgeber sagen auch die internationalen Arbeitgeber: Als Voraussetzung sollte erst mal Berufserfahrung da sein - und das ist natürlich bei jungen Leuten nach der Ausbildung kaum möglich. So drehen sie sich ewig im Kreis. Deswegen hat das Land Mecklenburg-Vorpommern zusammen mit anderen dieses Projekt entwickelt: Wir bereiten Jugendliche auf den Arbeitsmarkt in Norwegen und Schweden vor. Zielgruppe sind junge Leute unter 25 Jahren, die einen Berufsabschluss haben, aber noch keine Berufserfahrung.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Herzlich Willkommen in Norwegen! Kronprinz Haakon und Gattin Mette-Marit heißen deutsche Handwerker willkommen. (Foto: dpa) Welche Berufe werden nach Skandinavien vermittelt? Viele Bauberufe, zum Beispiel Zimmermannleute, die es hier in Mecklenburg-Vorpommern sehr schwer haben, einen Job zu finden. Aber auch andere gewerblich-technische Berufe, aus dem KFZ-Bereich oder dem Metall-Bereich. Und die klassischen Handwerksberufe: der Bäcker, Konditor, Fleischer, Schlachter. Wie sehen die Kurse aus? Insgesamt dauern die Kurse zwölf Wochen, beim letzten waren 300 Jugendliche dabei. Wir erklären ihnen, welche Unterschiede es zwischen dem Berufsbild hier und in Skandinavien gibt und geben Sprachkurse. Dann gehen sie auf eine Sprachexkursion, bei der die Jugendlichen vor Ort mit den alltäglichen Dingen vertraut gemacht werden. Sie kriegen Aufgaben, um die Sprache zu lernen. Beispielsweise so kleine Dinge wie in die Apotheke zu gehen und zu sagen: "Ich habe Halsschmerzen, was können Sie mir empfehlen?" Gleichzeitig vermitteln wir die Jugendlichen an mögliche Arbeitgeber, bei denen sie anschließend ein vierwöchiges Praktikum machen können. Da können sie beweisen, was sie gelernt haben, fachlich und sprachlich. Die Vermittlungsquote hat mich wirklich überrascht: Wir liegen zur Zeit bei 80 Prozent. Das ist eine tolle Leistung von den jungen Leuten. Wie ist die Stimmung bei den Jugendlichen? Ich habe sie jetzt begleitet und war drei Tage mit ihnen in Norwegen, auch bei den Arbeitgebern und ich kann ganz ehrlich sagen: Ich bin so angenehm überrascht. Es herrscht eine tolle Stimmung, auch in der Gruppe, alle freuen sich auf ihren neuen Arbeitgeber. Das was man den jungen Leuten immer so nachsagt, diese Null-Bock-Stimmung - überhaupt nicht zu sehen. Im Gegenteil. Geht es denn keinem schlecht, weil er in einem fremden Land ist? Na ja. Wenn ich ins Ausland gehe, verläuft der Aufenthalt wie eine Sinuskurve: Erst mal geht es hoch. Man ist euphorisch, man freut sich auf das andere Land, man findet das alles so was von toll, die Landschaft, die Leute, die Arbeitszeit. Und dann fällt man in ein Loch, dann kommt das Heimweh. Aber wenn man da mal durch ist, geht es wieder aufwärts: Man hat neue Bekanntschaften, neue Freunde gewonnen und eine ganz andere Identifikation zu dem Land gefunden. Diese Sinuskurve hat jeder durchzumachen, egal welches Alter, egal ob Maler oder Akademiker. Ich habe selbst im Ausland gearbeitet und viele kennen das sicher aus eigener Erfahrung. Sollen die Jugendlichen für immer im Ausland bleiben? Nein, nein. Wir verstehen dieses Angebot als Alternative: Man muss was gegen die Jugendarbeitslosigkeit tun, man muss den Jugendlichen erst mal eine Möglichkeit geben, überhaupt ins Arbeitsleben einzusteigen. Und wenn es eben im europäischen Ausland ist. Unsere Erfahrung zeigt: Durch die Arbeit im Ausland ist man ein sehr willkommener Arbeitnehmer hier in Deutschland, wenn man zurückkommt. Jeder Arbeitgeber sieht: Oh, da ist einer mobil, da ist einer beweglich, der setzt sich ein. Der ist auch bereit, Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen und möchte sich qualifizieren und bewähren, ist bereit, neue Technologien und Know-How zu lernen. Diese Jugendlichen haben einen viel einfacheren Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Ich finde es toll, dass jungen Leute bereit sind zu sagen: Ich mach jetzt erst mal was aus mir, dann kann ich zurückkommen und profiliere mich hier neu. Natürlich gibt es auch Jugendliche, die dort bleiben. Aber die Masse kommt nach ein bis zwei Jahren wieder. Wo liegen die größten Probleme für die Auswanderer im fremden Land? Es ist eben eine andere Mentalität, gerade in Skandinavien. Arbeit ist auch nicht alles, die Freizeitinteressen gehören dazu. Das muss man alles unter einen Hut kriegen. Es ist schließlich eine fremde Kultur, man muss auf die Befindlichkeiten achten: In den Ländern gibt es ja zum Beispiel noch einen König. Geographische Dinge sind zu beachten: Wenn ich nach Nordnorwegen gehe, muss ich wissen, dass es im Winter überwiegend dunkel ist. Es ist sehr, sehr viel, was ich da beachten muss, nationale Feiertage, Sport. Wenn Deutschland gegen Schweden Fußball spielt und ich bin im Stadion in Stockholm, sollte ich schon wissen, wo ich mich hinsetze. Wünschen Sie sich, dass noch mehr Menschen sich trauen, ins Ausland zu gehen? Das ist immer eine individuelle Entscheidung. Kunden, die wirklich Interesse an einer Arbeit in Europa haben, sind natürlich hier herzlich willkommen. Wir machen selbstverständlich auf die Möglichkeiten aufmerksam und wecken vielleicht bei manch einem das Interesse. Die Nachfrage ist aber bereits groß, es spricht sich herum, durch die Presse, durch Bekannte, die es weitersagen. Sollte das Arbeitsamt von den Arbeitslosen fordern, sich im Ausland zu bewerben? Nein, gar nicht. Das ist jedem selbst überlassen. Das würde ich nie so machen, das muss eine freiwillige Entscheidung sein.

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