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Das Polohemd von Lacoste

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Das Lacoste-Shirt hat sich irgendwie durchgemogelt. Ende der achtziger Jahre lag es quasi schon aufgebahrt im Totenhaus des Jahrzehnts, bereit, am Körper eines Vorstadt-Juppies beerdigt zu werden. Das kleine grüne Krokodil war zum Symbol rückständiger Markensucht geworden und nicht mehr, als eine allgemein geächtete Upper-Class-Eselei. Seit ein paar Jahren allerdings ist es ganz unbefleckt zurück und hat seinen legendären Siegeszug fortgesetzt. Der hatte seinen Anfang in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, mit einer Idee des erfolgreichen französischen Tennisspielers René Lacoste. Er trug seit einer Sportlerwette den Spitznamen „Alligator“ und ließ sich deswegen ein Krokodil auf seinen Sportblazer sticken. Tennis wurde damals noch in gestärkten Oberhemden gespielt - ein Umstand der Lacoste schließlich veranlasste, ein ganz neuartiges, kurzärmeliges Hemd herzustellen, aus einem Stoff namens „Jersey Petit Piqué“. Das erste Polo-Shirt war weiß, hatte elastische Bündchen an den Armen und vor allem: ein Krokodil auf der Brust. Damit schuf Lacoste das erste Kleidungsstück mit sichtbarem Markenlogo überhaupt. Achtzig Jahre später zählt die Markenkritikerin Naomi Klein deswegen die Firma Lacoste zu den Anstiftern des Markenbewusstseins, das fortan auf Pausenhöfen und Strandpromenaden die Neuordnung der Gesellschaft besorgen würde.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Lacoste-Shirts erreichten vor allem dank des revolutionären Komforts beim Sport eine weltweite Aufmerksamkeit und Akzeptanz und erfreuten sich geschlechtsübergreifender Beliebtheit. Aus dem Sportdress wurde Freizeitkleidung, die sich mit ihrem verhältnismäßig hohen Preis und dem plakativen Markentier hervorragend als Statussymbol eignete. Dabei schaffte es das echte Lacoste-Shirt trotz seines sportiven Charakters, selbst in den ersten Reihen vornehmer Herrenmode geduldet zu werden, ähnlich wie die Barbour-Jacke. Die Firma, die es in immer mehr Länder verkaufte, blieb stets unter familiärer Leitung: Nach René übernahm Sohn Bernard Lacoste das Geschäft und führte es 40 Jahre lang mit großem Erfolg. Aus 300 000 abgesetzten Kleidungsstücken im Jahr 1963 wurden 50 Millionen Stück im Jahr 2003, und das Krokodil avancierte zum meistgefälschten Logo der Welt. Spätestens als Grunge und Rave die Leute anschrieen und auszogen und die überreichen Gesellschaften ihre Sattheit nicht mehr ertrugen, stießen auch die pastellfarbenen Sommerhemdchen und das Popper-Lebensgefühl, das sich mit ihnen verband, auf Ablehnung. Einige Jahre lang waren die Secondhandläden und Kleidermärkte deswegen voll mit Lacoste-Shirts und die dort einkaufende Jugend hätte sich lieber den Kinnbart abrasiert, als eines der Spießerleibchen anzuziehen. Das galt, bis irgendwann Mitte der Neunziger der MTV-Moderator Markus Kavka eines kaufte und in seiner Sendung trug - als vage ironische Anspielung auf eine Kindheit in den achtziger Jahren, als Mütter ihre Kinder im Krokodilhemd auf den Spielplatz schickten. Gleichzeitig trugen Bands wie Oasis und Blur die Hemden auf der Bühne und verwirrten ihr Publikum. Mit dieser Ironisierung und der darauffolgenden Verklärung a la Illies, mit der ganzen Popularität der achtziger Jahre, kamen langsam auch die Lacoste-Shirts wieder, die ja nie weg sondern nur eine Zeit lang den alten Brüsten golfspielender Männer vorbehalten waren. Sie kamen und blieben auch, als Irony wieder over war und mit ihnen blieb eine Firma, die heute für viel mehr steht, als nur für Oberbekleidung. Lacoste vertreibt Schuhe, Taschen und Parfums und zwar alles mit Lizenzen – die Firma hat nie selber produziert, sondern immer nur das Krokodil draufgeklebt. Die Parfüms kommen von Procter&Gamble, die Taschen von Samsonite und die berühmten Hemden mit den Perlmuttknöpfen, fertigt ein Textilhersteller namens Devanlay. Sie machen heute einen Anteil von 14 Prozent am Lacoste-Umsatz aus – kein Vergleich zu früheren Zahlen. Dass die Bürgerklamotte von einst heute sowohl am Surfer wie am Werber und auch am Indierocker hängen darf, ist wohl das Verdienst des Individualismus, den unsere Generation so engagiert perfektioniert. Jeder darf tragen, was er will und das ist gut so. Denn es gibt wenig, was angenehmer durch einen Sommertag begleitet, als ein gutes Polohemd. Bild: Lacoste

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